Literaturszene Köln: Gerade erschienen ist das Heft #6 deines Kindercomic-Magazins POLLE. Wie bist du auf die Idee für das Heft gekommen und wie auf den Namen?

Ferdinand Lutz: POLLE entstand gemeinsam mit zwei Freunden – aus der Feststellung, dass es bislang hierzulande noch kein Independent-Comic-Magazin für Kinder gab, das spannende, witzige und eben auch (inhaltlich wie grafisch) sehr unterschiedliche Geschichten bringt.

Unser erster Titel war SPIELWIESE – weil das Magazin eben auch eine solches Feld zum Experimentieren für Künstler*innen sein soll, in denen sie neue Ansätze und Figuren ausprobieren können. Letztlich hat dann der Name POLLE das Rennen gemacht. Ein Quatschname, wie der Spitzname eines guten Freundes.

LK: Du zeichnest selbst, wie bist du dazu gekommen?

FL: Eigentlich zeichnen fast alle Kinder, viele hören nur wieder auf, weil sie sich anderem zuwenden. Ich habe nicht aufgehört, ich zeichne, seit ich mich erinnern kann. Und habe mir mit Comics (u. a. mit dem Texten der „Käpt’n Blaubär“-Zeitungscomics) mein Studium finanziert. Als dann irgendwann eine Anfrage von der Kinderausgabe des SPIEGELS kam, monatlich etwas für sie zu schreiben und zu zeichnen, hab ich mich entschieden, es zu probieren, vom Comiczeichnen leben zu können. Das klappt bis heute.

LK: Was ist für dich das Besondere an Comics?

FL: Das Zusammenspiel von Text und Zeichnung. Dass so vieles non-verbal und dennoch hochpersönlich erzählt werden kann – denn die Art, wie jemand zeichnet, ist eine extrem subjektiver Ausdruck, wie eine ausdifferenzierte Handschrift. Und gleichzeitig die starke Fokussierung auf Dialoge – ich bin mit Hörspielen aufgewachsen. Auch mag ich es, auf wie unterschiedliche Art verschiedene Zeichner*innen die Bilder zum Tanzen bringen können, so dass es flowt, die Geschichte in einen Fluss kommt, bei dem die Leser*innen vergessen, dass sie einzelne kleine Bildchen mit Text anschauen.

LK: Was ist zuerst da: Die Geschichte, der Text oder die Bilder?

FL: Ähnlich, wie Songschreiber*innen oft sagen, dass für sie oft Musik und Text gleichzeitig entstehen, ist es auch bei mir. Da ich aber sehr stark durch Hörspiele geprägt bin, feile ich zunächst sehr lange an Formulierungen, bis ich mit anschließend der Ausarbeitung der Bilder widme.

LK: Jede Ausgabe von POLLE ist einem Thema untergeordnet, wie legt ihr das fest?

FL: Die Themen ergeben sich meist von selbst. Wir sind mit viele Künstler*innen gleichzeitig in Kontakt und stellen irgendwann fest, dass es zum Beispiel recht viele Beiträge zu Tieren gibt. Dann haben wir einen roten Faden gefunden und spannen ihn weiter durchs Heft. Machmal schieben wir auch Beiträge.

Es geht in dem Magazin darum, die Balance zu finden zwischen einer bunten Mischung aus Stilen und Erzählansätzen, aus neuen Talenten und etablierten Zeichner*innen – die gleichzeitig ein harmonisches Ganzes ergibt.

LK: Wie seid ihr strukturiert und wie finanziert ihr euch?

FL: Wir sind zu dritt: Wiebke Helmchen, Jakob Hoffmann und ich. Da wir in drei unterschiedlichen Städten leben, skypen wir jede Woche. Jede*r von uns übernimmt einen Beitrag und berichtet den anderen, wie es damit voran geht. Dadurch, dass wir zu dritt sind, können wir immer sofort Zwei-Drittel-Mehrheiten für oder gegen etwas finden. Inzwischen erscheint POLLE in meinem eigenen Verlag Péridot, das heißt, ich schaue darüber hinaus, dass Rechnungen bezahlt werden und alles drum herum passt. Außerdem übernehme ich die Herstellung und das grafische Erscheinungsbild.

Wir verzichten komplett auf Werbung und finanzieren uns ausschließlich über den Verkauf sowie die Förderung von kulturellen Institutionen. Beim aktuellen Heft zum Beispiel haben wir viele Beiträge von flämischen Zeichner*innen drin – und eine großzügige Unterstützung von „Flanders Literature“ bekommen.

LK: An welche Zielgruppe richtet sich POLLE?

FL: An Erstleser*innen, also Kinder ab etwa 8 Jahre. Passend dazu ist in POLLE auch immer eine mit Musik und unterschiedlichen Stimmen vertonte Geschichte dabei. Das heißt, dass die Kinder die Geschichte im Heft anschauen (und lesen) und gleichzeitig hören können. Das ist ein wunderbarer Schritt zum Selberlesen.

LK: Wie schätzt du selbst die Comic Szene in Köln ein, seid ihr Zeichner:innen untereinander vernetzt?

FL: In Köln gibt es z. B. mit Ralf König, Sarah Burrini, Markus Rockstroh und Leo Leowald viele exzellente Kolleg*innen, deren Arbeiten ich bewundere und mit denen ich mich gern austausche. Für mich ist es aufgrund der intensiven und regelmäßigen Arbeit an POLLE aber gar nicht mehr so wichtig wie früher, im Alltag Gleichgesinnte zu finden. Ich schätze es dann sehr, mich punktuell bei Veranstaltungen auszutauschen.

LK: Wie nimmst du die Kölner Literaturszene wahr und was würdest du dir für die Zukunft der Szene wünschen?

FL: Ich bin beeindruckt, wie aktiv die Szene ist. Uns allen wünsche ich, dass bald wieder ungezwungene Live-Veranstaltungen möglich sind, und finde es natürlich spannend, wenn sich klassische Literatur und grafische Literatur weiter einander annähern. Im der aktuellen POLLE wurde ein wundervolles Gedicht von Ute Wegmann aus Köln grafisch interpretiert. So etwas auf die Bühne zu bringen, vielleicht noch mit Musik, das wäre ein Traum.

Vielen Dank für das Gespräch, lieber Ferdinand!

Die Fragen für die Literaturszene Köln stellte Paula Döring.