© Nooah Riijaervi
Finnland ist im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern Schweden und Norwegen für viele noch immer nicht das Urlaubsziel Nummer 1. Dabei ist das Land ganz im Norden von Europa, das sich eine etwa 1.340 Kilometer lange Grenze mit Russland teilt, bereits zum achten Mal zum glücklichsten Land der Welt gewählt worden. Unendliche Wälder, eine wilde Felsenküste und freundliche Menschen. Das weiß auch Annette Brüggemann, Literaturagentin aus Köln, Lyrikerin und Mitinitiatorin einer Literatur- und Kunst-Residency im Südwesten von Finnland. Dort liegt, nur eine Stunde von der finnischen Hauptstadt Helsinki entfernt auf einer Halbinsel direkt an der Ostseeküste: Ekenäs. Der Ort gehört zum schwedischsprachigen Teil des Landes und wartet mit einer fulminanten Natur auf. Vor der Bucht liegen kleinere Inseln als Archipel in der Ostsee verteilt, ein Naturschutzgebiet mit unzähligen Seevögeln.
Dass genau dort eine Residency für kreativ arbeitende Menschen aufgebaut wurde, war purer Zufall, wie Annette Brüggemann uns im Gespräch verrät. „Mein Partner Damian Franzen und ich waren auf einer Reise in Helsinki und Südfinnland. Als wir die Küste entlangfuhren, strandeten wir durch Zufall in Ekenäs und haben uns spontan in diesen charismatischen Ort am Meer verliebt. Schließlich haben wir uns entschlossen, dort aktiv nach einer Immobilie zu suchen und plötzlich tauchte sie auf, mitten in der Gamla Stan, das heißt, der dortigen Altstadt, umringt von alten Holzhäusern.“ Beim Unterschreiben des Kaufvertrags wurde klar, dass das Haus eine besondere Verbindung zur Literatur hat, denn es gehörte ursprünglich der bekannten finnlandschwedischen Schriftstellerin Merete Mazzarella, die dort mit Lars Hertzberg, einem Philosophen, gewohnt hat. „Der Moment, in dem wir das erfahren haben, war magisch!“
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Ein heller Wohnraum mit Küche, ein gemütliches Schlafzimmer und ein kleiner Schreibraum bieten genug Platz für alle kreativen Arbeiten, für die man kein großes Atelier braucht. Die stilvoll renovierte Wohnung befindet sich in einem Jugendstil-Holzhaus der Jahrhundertwende. Mit der Residency wollen „Damian und ich etwas zurückgeben“, auch, weil Annette Brüggemann selbst ursprünglich als Lyrikerin in den Literaturbetrieb kam und weiß, wie wichtig Literaturförderung und Freiräume für den kreativen Prozess sind. Sie selbst wurde zu Beginn ihrer Karriere von der österreichischen Schriftstellerin Frederike Mayröcker unterstützt. Ihr Leitspruch lautet, zitiert nach dem amerikanischen Musikproduzenten Rick Rubin: „Kreativität ist nichts, was man nur tut, sondern etwas, das man ist.“
In diesem Sinne zeigt sich Annette Brüggemanns Schaffen auf vielen verschiedenen Ebenen: Hier lebt jemand für Literatur – und will diese Leidenschaft auch weitergeben. „Unser Ziel ist es, mit der Residency ein Hideaway zu bieten, in dem Menschen sich für ein Projekt vollkommen zurückziehen können, insbesondere, wenn sie es dringend brauchen. Bestsellerautoren sind oft so gut versorgt, dass sie sich solche Gelegenheiten selbst schaffen. Wir aber möchten einen Ort der Entdeckung für die bieten, die genau das brauchen, um Originäres entwickeln zu können.“ Laut Annette Brüggemann eignet sich die Residenz in Ekenäs mit seiner Natur und dem Kulturangebot wie kaum ein anderer Ort dafür: „Der finnische Eigensinn inspiriert.“
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Mittlerweile sind die Kontakte zwischen Finnland und Deutschland weiter gewachsen, sodass ein Netzwerk zwischen Kulturinstitutionen vor Ort oder Initiativen – wie etwa dem FILI-Übersetzungsaustausch-Programm – Verlagen, Autor:innen und Künstler:innen entstanden ist. Dies war auch der Anlass, das deutsch-finnische Kulturfestival „Ekenäs Dialog“ ins Leben zu rufen. Im August 2026 soll es erneut stattfinden. „Jedes Mal denken wir: Wow, das war ein Kraftakt!“, lacht Annette Brüggemann. „Und dann entsteht durch die Begegnung von all den angereisten Gästen wieder so ein tolles Feuerwerk, dass wir uns breitschlagen lassen, es nochmal zu machen.“ Mit dem Festival soll buchstäblich ein Dialog zwischen finnischen und deutschen Autor:innen angestoßen werden. Eine zentrale Rolle spielt dabei auch die finnische Natur während des Festivals. Neben einem täglichen Morning Swim in der Ostsee wird im Rahmenprogramm eine Bootstour durch die Schären angeboten: „Wir haben vor Ort einen Skipper mit zwei großen Booten und fahren raus ins Archipel vor Ekenäs bis nach Jussarö. Das ist eine ganz besondere Insel mit Blick auf die offene Ostsee. Dort haben wir auch im letzten Jahr eine Lesung mit dem Übersetzer und Autor Stefan Mostar veranstaltet – ein unvergessliches Highlight!“
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Zugute kommt Annette Brüggemann bei der Festivalorganisation ihre Erfahrung als Literaturagentin im Bereich Sachbuch und als Managerin für internationale Bestsellerautor:innen. „Als Leser oder Leserin vergisst man schnell, dass um ein Buch immer ein ganzes Netzwerk gestrickt ist“, erklärt sie. „Ich bin ein zutiefst neugieriger Mensch und verstehe, was es bedeutet, zu schreiben. Oft habe ich eine Intuition für die Idee, die hinter einem Buch steckt. Ich arbeite gern intensiv mit meinen Autoren und Autorinnen an Projekten, bin im steten Austausch mit Verlagen und filtere Projekte vor. Es ist vielleicht etwas ungewöhnlich, dass ich als ‚gebürtige‘ Lyrikerin heute im Bereich des populären Sachbuchs arbeite, aber genau das gibt mir das Gespür, Themen neu und anders zu denken.“
Das „Satama House“ symbolisiert die Verbindung von Literatur, Natur und einem interessierten Netzwerk an Literat:innen und Künstler:innen.Interessierte Schriftsteller:innen, Übersetzer:innen und Wissenschaftler:innen sowie konzeptuell, photographisch oder kompositorisch arbeitende Menschen können sich ab sofort bis zum 30. Juni 2025 für einen ein- bis dreimonatigen Aufenthalt ab September 2025 im „Satama House“ bewerben. Mehr Informationen hier.
Annette Brüggemann ist Literaturagentin und Lyrikerin, sowie Mitglied des Literaturszene Köln e.V.. Mehr Informationen zu ihrer Arbeit finden sich hier.
