Am 8. Mai 2020, dem Tag des antifaschistischen Widerstands, haben vier Mitglieder des Zentrums für intersektionale Gesundheit in Köln, Holla e.V. den Verlag stolzeaugen.books in Köln gegründet.

Am 19. Februar 2021 erschien ihr Buch „Texte nach Hanau“, genau ein Jahr nach dem grausamen Anschlag in Hanau, bei dem neun Menschen getötet wurden. Mit stolzeaugen.books konzentrieren sie sich auf Bücher von Menschen, die in Deutschland von Rassismus diskriminiert sind.

Zwei der Mitarbeitenden von stolzeaugen.books, Jamilah Bagdach (Mit-Gründerin & Geschäftsführung) und Wandi Wrede (Head of Social Media) haben sich die Zeit genommen, um mit uns über den Verlag zu sprechen und ihr erstes Kinderbuch „Samira und die Sache mit den Babies„, das gerade erschienen ist.

Jamilah ist, seit sie 12 Jahre alt ist, bei Holla e.V., der Gesellschafterin des Verlages, aktiv, macht Musik und schauspielert. Wandi organisierte gemeinsam mit anderen die erste BLM Demo in Köln an der Deutzer Werft.

Das Interview führte Paula Döring.

Literaturszene: Die Gründung eures Verlags stolzeaugen.books liegt jetzt etwas mehr als ein Jahr zurück. Wie viele seid ihr, was waren eure Beweggründe und wie kam es zu dem Namen?

Jamilah Bagdach: Insgesamt sind wir vier Gründungspersonen, alle von Holla e.V. Stolzeaugen.books ist etnstanden, weil wir durch unsere Arbeit bei Holla die Unabdingbarkeit einer Institution, die sich mit den echten Lebensrealitäten von Menschen of Color und Schwarzen Menschen auseinandersetzt, und diese genauso nach Außen trägt, gesehen haben. Wir sind die erste BIPOC-Verlagsgesellschaft in Deutschland.

Wandi Wrede: Wir wollten Aufmerksamkeit schaffen für (Alltags-)Rassismus und jegliche Formen von Diskriminierung und uns war von Anfang an klar, dass wir das mit und durch Bücher machen wollen. Der Name steht dafür, dass wir mit stolzen Augen durchs Leben gehen. Das Nazar, unser Logo, schützt vor bösen Blicken wir sehen es so, dass es unsere Bücher und Arbeit schützt.

Warum genau habt ihr für eureArbeit das Medium Buch gewählt?

Jamilah Bagdach: Bücher sind das, was bleibt. Die Bedeutung von Texten, die Gewichtung von gedruckten Büchern ist nochmal eine ganz andere: Wir haben die Form des Buches von Anfang an als Empowerment wahrgenommen. Lehrbücher, Verlage, Literatur, Sachbücher – das Internet informiert über Aktuelles, aber Bücher sind beständig, sie sind das, was immer wieder zur Hand genommen werden kann und man wird daran erinnert, dass man richtig ist.

Wandi Wrede: Aus dieser Intention ist „Texte nach Hanau“ erschienen. Uns war von vorne herein klar, dass wir die erzählten Geschichten in ausschließlich Buchform veröffentlichen wollten.

Euer erster Titel ist fast ein Jahr nach Verlagsgründung erschienen, warum habt ihr so lange gewartet?

Jamilah Bagdach: Der Terrorakt hat uns alle erschüttert, ein solches Projekt braucht Zeit. Abgesehen davon gründet man ein Unternehmen nicht von heute auf morgen, es musste viel geregelt werden, bevor wir das Projekt „Texte nach Hanau“ umsetzen konnten.

Wandi Wrede: „Texte nach Hanau“ war extrem zeitaufwändig, intensiv und vor allem emotional. Wir haben mit 50 Personen gesprochen die uns ihre innersten Gedanken und Gefühle anvertraut und ihre Erinnerungen aufgezeichnet haben. Es ist nicht einfach ein Buch, dass man verlegen muss, da steckt mehr dahinter.

Empfindet ihr euch selbst als politisch?

Jamilah Bagdach: Dadurch, dass wir Rassismus ernst nehmen, werden wir politisch. Wir wollen etwas verändern, auf Diskriminierungen in all ihren Formen aufmerksam machen. Aber unser Zweck ist es nicht über Rassismus oder Diskriminierung aufzuklären, sondern die Lebensrealitäten von Menschen, die in Deutschland durch Rassismus diskriminiert sind und Intersektionalitätserfahrung haben, sichtbar zu machen, so wie sie sind, ohne Verfälschung. Denn zurzeit werden diese in unserer Gesellschaft nicht gesehen.

Wie sehen eure Pläne aus, was sind eure nächsten Projekt?

Wandi Wrede: Wir wollen auf jeden Fall wachsen. Nicht nur mit dem Verlag, sondern auch in und mit unserem Team. Wir wollen unser Wissen teilen und weitergeben. Darum geht es uns vor allem.

Jamilah Bagdach: Gerade ist unser neues Buch erschienen. Es ist ein Kinderbuch und heißt „Samira und die Sache mit den Babys“. Es ist ein von uns und vielen Menschen lang ersehntes Aufklärungsbuch von Souzan AlSabah mit Illustrationen von Özlem Sakalkesen.

Wandi Wrede: Das Buch behandelt den Start ins Leben, Schwangerschaft, Geburt usw. Außerdem lernen wir zusammen mit der super schlauen und süßen Samira aber auch viel über unseren eigenen Körper. Ihr müsst es euch selbst anschauen, dieses Buch ist so unglaublich, das kann man nicht in Worte fassen.

Ihr seid noch recht neu in der Verlagsbranche, was wünscht ihr euch für die Zukunft?

Jamilah Bagdach: Auf jeden Fall mehr Offenheit und Interesse an dem Zweck unseres Verlages und dass wir uns alle noch besser vernetzen, zusammen zu stehen, um gemeinsam optimistisch in die Zukunft blicken zu können.

Wir danken euch für das Gespräch.