Literaturszene Köln: Liebe Lisa, wir kennen uns noch aus deiner Zeit beim Egmont Verlag und meiner bei Barbarella Entertainment. Ganz schön lange her! Mittlerweile bist du verantwortlich für Literatur in den Häusern der Stadt. Wie bist du vom Verlag zum Festival gekommen?

Elisabeth Noss: Nach 11 Jahren bei Egmont als Leitung der Öffentlichkeitsarbeit und des Marketing zeichnete sich ab, dass der Verlag seine Zelte in Köln abbrechen wird. Das war 2016 für mich der Anlass, mich noch einmal neu zu orientieren. Ich hatte schon länger gespürt, dass ich gerne wieder stärker inhaltlich und weniger administrativ arbeiten will. Wieder mehr mit Büchern und den Menschen dahinter, wenn man so will. Als ich die Stellenausschreibung des KunstSalon für die Festivalleitung sah, habe ich mich beworben und wurde genommen.

LK: Für diejenigen Leserinnen und Leser, die euer Festival noch nicht kennen: Wie ist das Festival entstanden und was erwartet die Besucher:innen?

EN: Literatur in den Häusern der Stadt gibt es in Köln seit dem Jahr 2001. Hamburg und Bonn kamen erst über 10 Jahre später dazu. Unser Trägerverein, der KunstSalon e.V., unterstützt Künstlerinnen und Künstler z.B. in Form von Stipendien. Eine wichtige Form der Förderung ist auch die Möglichkeit, sein Werk einem Publikum vorzustellen. So entstand Ende der 1990er die Festivalidee.

Ein andere Hauptaufgabe sieht der KunstSalon darin, persönliche Begegnungen zwischen Publikum und Kunstschaffenden zu ermöglichen – so wie es früher in Salons üblich war. Kombiniert man beides, hat man das Festivalkonzept: Lesungen in persönlichem, individuellen Rahmen, nah an den Gästen, mit der Möglichkeit zu Austausch und Begegnung.

Und genau das erwartet unsere Gäste auch vom 8.-13 Juni 2022: 42 Veranstaltungen an ganz unterschiedlichen Orten in Köln, Bonn und Hamburg. Da ist alles dabei: Von der Privatwohnung über ein Gartengeschäft, einen Gerichtssaal, eine Synagoge, ein Atelier oder eine Arztpraxis. Gemeinsam mit den Gastgeberinnen und Gastgebern suchen wir Lesungen aus, die mit dem Veranstaltungsort korrespondieren. Oft sind es recht kleine Locations. Die Besucher erwartet also ein intimer Rahmen mit der schönen Möglichkeit, im Anschluss noch bei einem Getränk ins Gespräch zu kommen. Es geht sehr persönlich zu.

LK: Kann man sich als Location für 2023 bewerben, wonach wählt ihr die Festivalorte aus?

EN: Eigentlich gibt es bei der Auswahl der Festivalorte nur das Kriterium, dass es keine klassischen Veranstaltungsorte für Lesungen sein sollten. Jeder, der Interesse hat mitzumachen, kann sich bei mir bewerben.

LK: Wie finanziert ihr euch, ist das Festival eine private Initiative?

EN: Das Festival ist eine Initiative des gemeinnützigen Vereins KunstSalon e.V. und finanziert sich durch private und gewerbliche Förderer und Kartenverkauf. In letzten zwei Jahren wurden wir außerdem gefördert vom Land NRW und von der KunstStiftung NRW. Das war eine enorme Hilfe, da wir 2020 das Festival sehr kurzfristig absagen und 2021 nur in sehr reduzierter Form umsetzen konnten.

LK: Literatur in den Häusern der Stadt findet in drei Städten statt: Köln, Bonn und Hamburg. Warum ausgerechnet diese drei und wirst du überall selbst vor Ort sein können?

EN: Gegründet wurde das Festival ja in Köln und da Bonn nicht weit ist und es über den KunstSalon zahlreiche Kontakte dorthin gibt, wurde Bonn 2014 auch Festivalstandort. Seit 2008 wird in Hamburg sehr erfolgreich unser Schwester-Festival Musik in den Häusern der Stadt veranstalte. Und im Kielwasser der Musik etablierte sich dort 2013 auch ein Literaturfestival. Es braucht immer ein gutes Netzwerk und kompetente Festivalleitungen vor Ort, damit das in einer Stadt klappt.

Und weil es diese Kolleginnen in Bonn und Hamburg gibt, werde ich in der Festivalwoche auch nur in Köln sein und hier Lesungen betreuen und moderieren.

LK: Wie groß ist euer Festival-Team und wie lange arbeitet ihr am Programm?

EN: Hier im Kölner Festivalbüro sind wir zu viert. In Bonn und Hamburg gibt es dann jeweils noch eine Festivalleiterin vor Ort. Ich beginne mit Programmplanung und Gastgeberakquise immer ungefähr im Oktober des Vorjahres, Programmschluss ist dann meist um Karneval herum. Danach dann Programmheft, Website, Verträge, Technikplanung etc. Und parallel arbeiten die Kollegen am Musikfestival, das immer Anfang November stattfindet.

LK: Hast du 2022 einen inhaltlichen Schwerpunkt gesetzt und worauf freust du dich persönlich ganz besonders?

EN: Die Programmauswahl mache ich immer gemeinsam mit den Gastgeberinnen und Gastgebern. Ich bereite zwar eine Programmliste mit Ideen (meist Frühjahrsnovitäten) vor, die ich dann vorstelle – aber das sind nur Vorschläge und ich versuche vor allem rauszufinden, was gut zu den Beteiligen passt und sie begeistert. Das kann dann eben auch mal ein Klassiker-Programm oder ein Lesung mit Musik sein – da sind wir ganz frei. Mir ist sehr wichtig, dass Thema und Ort einen Bezug zueinander haben. Manchmal ist dieser Bezug für die Gäste nicht sofort offensichtlich, sondern erschließt sich erst während der Lesung. Diese gemeinsame Themenfindung führt eigentlich immer zu einem sehr heterogenen Programm ohne inhaltlichem Schwerpunkt. Unsere Besonderheit sind die Orte und die Nähe während der Lesung.

Als Programmleiterin einzelne Veranstaltungen herauszuheben, fühlt sich immer etwas komisch an. Aber ich denke, dass z.B. bei Fridolin Schleys Lesung aus „Die Verteidigung“ am Donnerstag, 9.6. 22, im Oberlandesgericht Köln, Thema, Autor und Ort ganz wunderbar zusammenpassen. Ähnliches gilt sicher für Florian Werners Lesung aus „Die Raststätte“ im Bonner BaseCamp am Freitag, 10.6.22. Für Gartenfans empfehle ich eine Fahrt zu Landschaftsgärtner-Familie Forster nach Alfter, wo Sabine Platz aus „Platz im Garten“ liest. Da kommen sicher nicht nur Schrebergartenbesitzer auf ihre Kosten.

LK: In Köln gibt es viele verschiedene Festivals. Wie nimmst du die Kultur- und Literaturszene wahr und was würdest du dir für die Zukunft wünschen?

EN: Grundsätzlich leidet Köln definitiv nicht an einem Unterangebot von Kultur- und Literaturveranstaltungen. Ich gebe zu, dass ich zeitweilig weniger Angebote wahrnehme, als mich eigentlich interessieren. Eigentlich schade, denn gerade im Literaturbereich arbeiten sehr viele nette Menschen, die ich gerne öfter sehen würde. Austausch ist immer bereichernd! Mein größter aktueller Zukunftswunsch ist wieder mehr Planungssicherheit nach zwei Jahren Hängen und Würgen. Dann kommt es ganz bestimmt auch wieder zu vielen schönen Begegnungen in unserer kleinen, aber feinen Szene. Darauf freue ich mich!

LK: Vielen lieben Dank für das Gespräch und ganz viel Erfolg.

Die Fragen für die Literaturszene Köln stellte Paula Döring.