Literaturszene Köln: Liebe Ines, seit über zehn Jahren leitest du nun schon das Junge Literaturhaus Köln und bist verantwortlich für das Programm. Was waren bisher deine schönsten Erinnerungen und welche Begegnungen haben dich am meisten inspiriert?
Ines Dettmann: Auch nach 15 Jahren ist das Junge Literaturhaus immer noch ein Traumberuf und inspiriert mich immer wieder, auch weil wir ja immer wieder neue Autor*innen und Illustrator*innen zu Lesungen einladen. Aus tollen Kooperationen sind Aktionen wie „Das Junge Buch für die Stadt“, gemeinsam mit der Stadtbibliothek Köln und dem Kölner Stadt-Anzeiger entstanden. Ute Wegmann, die ich zur Eröffnung 2007 kennengelernt habe, sitzt mittlerweile bei uns im Vorstand und ihre tolle Initiative „Heimspiel“ wird jetzt von uns organisiert. Ich nehme aus jeder Veranstaltung etwas mit: Neben den Treffen mit den Autor*innen und Illustrator*innen oft auch von den Kindern, Familien, Kitas und Klassen, die die Veranstaltungen besuchen. Es ist so schön zu sehen, wie viel Spaß sie haben, wie wichtig ihnen Themen sind und wie ernsthaft sie diskutieren.
Literaturszene Köln: Seit wann gibt es das Junge Literaturhaus in Köln und wie bist du zu der Stelle gekommen?
Ines Dettmann: Im Sommer 2007 haben wir in der Schönhauser Straße das Junge Literaturhaus eröffnet. Wir waren damals das erste Junge Literaturhaus im deutschsprachigem Raum und sind mit dem Schwerpunkt Jugendliteratur gestartet. Ich habe in Bamberg Diplom-Germanistik mit Schwerpunkt Journalistik studiert und während des Studiums durch meinen engagierten Dozenten meinen Zugang zur Kinder- und Jugendliteratur ausbauen können. Die wird in der Germanistik immer nicht ganz ernst genommen und nicht viele Dozenten beschäftigen sich mit dem Forschungsfeld.
Ich habe im Studium bei der Young Miss, dem Micky Maus-Magazin und dem Ki.Ka gearbeitet und gemerkt, dass ich nicht nur für Kinder und Jugendliche schreiben will, sondern gerne auch mit ihnen arbeiten. 2005 bin ich aus Bamberg nach Köln gekommen, mit einer Doktorarbeit im Kopf und in der Tasche und im Herbst 2006 hat mir mein Kölner Zweitkorrektor erzählt, dass das Literaturhaus Köln ein Junges Literaturhaus gründen möchte und ich mich doch bewerben könnte. Meine Promotion ist bis heute nicht fertig, aber dafür habe ich dann ab Januar 2007, zusammen mit Bettina Fischer und Thomas Böhm, als Projektleiterin das Junge Literaturhaus aufgebaut.
Literaturszene Köln: Du hast selbst vier Kinder – wie finden die vier deinen Job und welchen Stellenwert hat lesen bei euch zu Hause?
Ines Dettmann: Bisher lesen bei uns alle Kinder mit großer Begeisterung oder lassen sich vorlesen. Und es wird immer und überall gelesen, was teilweise wirklich zu Streit führt, weil Kinder vor der Schule auf dem Klo verschwinden, um dort in Ruhe zu lesen, wir morgens von unserem Jüngsten mit einem Buch geweckt werden, das wir noch schnell vorlesen sollen und unsere großen Kinder teilweise auch mehrere Bücher parallel lesen und die überall rumliegen.
Drei von vier Kindern können wirklich gut lesen und Jonte tut mittlerweile so, als könnte er lesen, um mit seinen Geschwistern mitzuhalten. Vor dem Einschlafen lesen wir zusammen ein Buch und wechseln uns auch gerne beim Vorlesen reihum ab. Das ist eine schöne Familienzeit, auch wenn ich regelmäßig einschlafe, wenn ich vorgelesen bekomme.
Literaturszene Köln: Was muss ein gutes Kinderbuch für dich ausmachen?
Ines Dettmann: Ein gutes Kinderbuch nimmt Kinder thematisch mit, gibt ihnen das, was sie brauchen und ist gut vorzulesen. Es darf die Erwachsenen fordern, wenn sie vorlesen, muss Raum für eigene Phantasie lassen, eine zeitlose Sprache haben und soll in sich abgeschlossen sein. Schöne Illustrationen sind ein Geschenk, aber kein Muss. Vorlesen soll auch Raum für eigene Vorstellungen lassen. In meinem Kopf sah früher jede Wohnung in Geschichten aus wie die von meiner Oma, weil das die einzige Wohnung war, die ich lange kannte. Die veränderte sich dann ja nach Gegebenheit.
Literaturszene Köln: Erst kürzlich haben wir gemeinsam mit euch den ersten Kinder- und Jugendbuchtag Köln auf die Beine gestellt. Über 1.000 Kinder und Erwachsene kamen im Filmhaus zusammen: Wir waren vollkommen überwältigt von dem Zuspruch, den der #kjbt erfahren hat. Hat dich der Ansturm überrascht oder werden Lese-Angebote in Köln für Kinder und Jugendliche grundsätzlich gut angenommen? Wie ist deine Erfahrung?
Ines Dettmann: Der Kinder- und Jugendbuchtag war ein toller Erfolg, auch weil ich die Erfahrung gemacht habe, das in Köln nicht alle Angebote solchen Zulauf erfahren. Es gibt in einer großen Stadt immer Alternativen. Als Kulturveranstalter*in ist das Budget für Werbung oft klein und kostenloser Eintritt garantiert keinen Erfolg. Der Kinder- und Jugendbuchtag zeigt einfach, wie wichtig die Vernetzung in der Szene ist und was es ausmacht, wenn viele Kulturbegeisterte an einem Strang ziehen und sich für eine Sache einsetzen. Das war ein großer Spaß und überträgt sich jetzt hoffentlich auch auf andere tolle Angebote, egal ob unsere Lesungen, die Comedia, das Bilderbuchmuseum, mittendrin e.V., die Schreibwerkstatt der SK-Stiftung oder LeseWelten. Die Idee kam genau zum richtigen Zeitpunkt, denn in den letzten zwei Jahren hat trotz Corona viel stattgefunden, aber eben auch immer in einem überschaubaren Rahmen. Umso schöner, dass die Idee vom Kinder- und Jugendbuchtag so begeistert angenommen worden ist.
Literaturszene Köln: Wie nimmst du die Kölner Literaturszene insgesamt wahr?
Ines Dettmann: Die Szene ist groß und unglaublich vielfältig und hat sich in den letzten Jahren immer wieder verändert. Nicht nur die Autor*innen, sondern eben auch alle, die in der Szene arbeiten oder Literatur wichtig finden, sollten sich vernetzen und zusammen arbeiten. Nicht immer, aber es ist unglaublich inspirierend und energiesparend sich zu vernetzen und das tut der Verein wirklich super.
Literaturszene Köln: Über zehn Jahre sind eine lange Zeit, was hast du für Erfahrungen gemacht: Kommen die Kinder, die schon im Jungen Literaturhaus als kleine Gäste bei Lesungen waren, später als junge Erwachsene eher wieder um Lesungen zu besuchen?
Ines Dettmann: Erwachsen werden heißt ja oft auch den Wohnort zu wechseln, was ich selbst getan habe und das auf dem Schritt ins Leben total wichtig finde. Ein paar unserer Jugendlichen, die ab 2007 an unserem Schreibprojekt „Mein Block“ teilgenommen haben, haben im Literaturhaus zum Beispiel ein Praktikum gemacht, eine hat bei Wagenbach einen Buch veröffentlicht. Viele sind Literaturverbunden und haben durch das Junge Literaturhaus die Schwellenangst verloren. Und das wollen wir ja sein: Ein Türöffner für Literatur und Kultur, ein Ort, der Lust auf mehr macht und ich glaube, das ist uns bei vielen Kindern und Jugendlichen gelungen, die wir eine Zeit begleiten durften.
Literaturszene Köln: Wie sieht das Programm für Herbst 2023 aus, was kannst du ganz besonders empfehlen und plant ihr ein Special für die Herbstferien?
Ines Dettmann: Wir freuen uns auf internationale Autorinnen wie Jenny Valentine und Anna Woltz, die mit ihren neuen Büchern zu uns kommen. Und auf Bilderbuchkinos mit Thomas Pelzer. Kristina Schreiber und Lena Hesse kommen mit ihrem Sachbuch rund um die Frage „Was ist Zuhause?“ zu uns und es starten wieder die Buchklubs an den Schulen. Im Laufe der nächsten Wochen gehen auch Familienveranstaltungen online. Für alle, die am Kinder- und Jugendbuchtag Lust bekommen haben. Also immer mal auf unserer Website nachschauen.
Vielen Dank für das schöne Gespräch, liebe Ines!