Literaturszene Köln: Liebe Therese, du arbeitest nicht nur als Schauspielerin sondern auch als Hörbuchsprecherin. Was unterscheidet die beiden Tätigkeiten voneinander, wie bereitest du dich jeweils vor?
Die Vorbereitung beinhaltet natürlich gründliches mehrmaliges Lesen des Textes. Das mache ich als Schauspielerin natürlich auch mit den Drehbüchern. Aber für ein Hörbuch ist der Text ja viel umfangreicher & ich muss ihn (zum Glück) nicht Auswendiglernen ;).
Ich lese ihn immer auch laut, mache oft Aufnahmen um zu hören, wie die Stimmlage, das Tempo sind usw. Vorallen Dingen gliedere ich den Text. Schaue sehr genau, wie die Spannungsbögen verlaufen, wo es wie in der Musik ein Crescendo oder eine Fermate gibt & wo der Humor sitzt. Ganz wichtig! Lesen ist auch ein musikalischer Akt, es geht viel um Rhythmus, tatsächlich auch um laut und leise, einfach darum die Musikalität einer Literatur zu erfassen, nicht nur den intellektuellen Gehalt.
Im Gegensatz zum Schauspiel versetzte ich mich ja nicht in der Charakter, die Figur, sondern ich stelle einen Text vor, interpretiere ihn natürlich, aber bleibe doch in erster Linie eine Vermittlerin. Das ist eine sehr schöne Haltung, die meiner Liebe zur Literatur sehr entspricht. Und es ist mir ein großes Anliegen Literatur an die Menschen zu bringen.
Literaturszene Köln: Wenn du als Hörbuchsprecherin arbeitest oder auch bei Lesungen als Sprecherin dabei bist, wonach entscheidest du und wann berührt dich ein Text ganz besonders?
Therese Hämer: Das hängt natürlich in erster Linie vom Text ab, ob er mich anspringt. Ich habe aber auch schon sehr herausfordernde Texte gelesen, die ich bei erstem Lesen vielleicht eher schwierig und fremd fand, bei denen sich dann aber im Laufe der Arbeit eine große Begeisterung eingestellt hat. Hilfreich ist immer, wenn der Text klug ist ;) & es ein Thema ist, dass ich noch nicht kenne & dass mich neugierig macht.
Literaturszene Köln: Du lebst und arbeitest seit vielen Jahren in Köln und in Berlin. Nimmst du einen Unterschied wahr zwischen dem Literaturbetrieb der einen und der anderen Stadt?
Therese Hämer: Das schöne an Köln ist, dass es so konzentriert ist & sich, auch durch die LIT.Cologne, das Interesse an Literatur in der öffentlichen Wahrnehmung sehr verstärkt hat. Fast alle Buchhandlungen machen Lesungen. Das Literaturhaus ist schon immer eine Institution.
Berlin hat natürlich auch ein sehr großes Angebot, es gibt sehr viel & immer spannende Lesungen. Durch das große Angebot ist es für mich aber manchmal auch unübersichtlicher.
Ich habe den Eindruck der Fokus liegt in Berlin eher auf dem Theater. Aber das hat auch damit zu tun, dass ich das Theater in Berlin so spannend finde und dass mir das literarische Umfeld in Köln vertrauter ist.
Literaturszene Köln: Am 16. November ist die Autorin Anne Serre zu Gast im Literaturhaus Köln um ihren Roman „Die Gouvernanten“ vorzustellen, du liest aus der deutschen Übersetzung und hast auch das Hörbuch eingesprochen. Was hat dich an dem Text besonders gereizt?
Therese Hämer: Ich war wirklich verblüfft von diesem Roman. Ich fand es mutig so märchenhaft, phantastisch, nahezu altmodisch zu schreiben. Bei allem was man aus Frankreich kennt, steht die Sprache dieses Romans so garnicht in der nüchternen Tradition von Annie Ernaux zum Beispiel. Er hat mich zum Beispiel auch an Marivaux erinnert. Diese große französische Kunst mit Erotik zu spielen. Und vor allem so frei von Moral zu sein, das hat „vraiment esprit francaise“! Und während der Arbeit im Studio waren Tina Walz, meine tolle Hörbuchverlegerin von „Der Diwan“ und ich, immer wieder total begeistert von der Tiefe, Existentialität und Klugheit dieser Literatur. Uns sind beim Lesen richtige Lampen aufgegangen!
Und jetzt freue ich mich sehr Anne Serre persönlich kennenzulernen.
Voilà à tout à l’heure au Literaturhaus!
Das Interview für die Literaturszene Köln führte Paula Döring.
Therese Hämer debütierte an den Münchner Kammerspielen und wurde von „theater heute“ zu Nachwuchsschauspielerin gewählt. Sie spielte u.a. am Schillertheater Berlin, dem Schauspielhaus Bochum, dem Schauspiel Bonn & dem Residenztheater München.
Seit vielen Jahren steht sie vor der Kamera und ist bekannt aus Tatorten, dem Polizeiruf 110, „Stromberg“, den Ruhrgebietskomödien „Schnitzel geht immer“, den großen TV Filmen „Der Club der singenden Metzger“, „Ramstein-das durchstoßene Herz“ uva. Sie spielt die Hauptrolle „Frieda“ in der neuen ZDF-Reihe „Unterm Apfelbaum“. Zuletzt war sie im Kinofilm „Crash“ an der Seite von Anna Maria Mühe und im Tatort „Die Nacht der Kommissare“ zu sehen.
Sie spricht leidenschaftlich Hörspiele, Hörbücher und Lesungen u.a. für die Lit.Cologne und tritt mit ihren eigenen Programmen auf: „Glücksmomente – auf den Spuren des Glücks in der Literatur“, „Charlotte Salomon – es ist mein ganzes Leben“ über die jüdische & von den Nazis ermordete Malerin Charlotte Salomon – ein Leben auf der Flucht.