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Ein Psychotherapeut, der untertaucht und in einem Brief ein politisches Attentat ankündigt. Was auf den ersten Blick ein klarer Fall scheint, wird verzwickter, als der ermittelnde Beamte das Leben des Mannes zu rekonstruieren versucht. Aus den Stimmen von Ehefrau, Freunden, ehemaligen Kollegen entsteht ein Netz aus möglichen Wahrheiten. Guy Helmingers neuer Roman Lärm (capybarabooks) erzählt von der Zersplitterung des Ichs und von der Möglichkeit, dass Erinnerungen ehrliche Erfindungen sind.

Mir war, als sei dieser Mensch ein Paradebeispiel dafür, dass der Kern des Einzelnen nichts weiter als die Summe vieler Stücke, ja Bruchstücke war. Seine von außen gesehene Identität bestand nicht aus etwas Ganzem, sondern nur aus einer Ansammlung von Akzidenzien.

Ein Psychotherapeut ist ein Mensch der Worte, für den die Lösung eines Problems zuallererst im Gespräch liegt. Der Brief, den Konrad Schnittweg, bevor er untertaucht, an die Presse verschickt, spricht hingegen eine andere Sprache: Plant der Therapeut und Ehemann ein politisches Attentat? Der Versuch des ermittelnden Beamten, Klarheit über das Leben des Verdächtigen zu schaffen, scheitert: Aus den Erinnerungen der Befragten will sich kein kohärentes Bild zusammenfügen, vielmehr scheinen verschiedene Wahrheiten nebeneinander zu existieren. Möglicherweise gibt es auch für die Befragten Motive, die Unwahrheit zu sagen …

Im Gewand eines kriminalistischen Plots erzählt Guy Helmingers neuer Roman Lärm von Identität, Erinnerung und der Wahrheit, die nie im Singular steht. Zugleich lässt sich der Text als formal spielerische Reflexion über die Unterscheidung in Fakt und Fiktion lesen: Unweigerlich stellt sich bei der Lektüre die Frage, ob man es bei der Montage von (fiktiven) Befragungsprotokollen, Zeitungsausschnitten und Tonbandtranskriptionen nicht auch mit einer ›ehrlichen Erfindung‹ zu tun hat.

Mit Ulrich Noller geht Guy Helminger der Frage nach, ob aus unterschiedlichen Arten, dasselbe zu erinnern, trotzdem Wahrheit wird.

 

Foto: (c) Guy Helminger

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