„Offenheit und Neugierde sind der kreative Motor unserer Arbeit.“ – die Literaturszene Köln e.V. im Gespräch mit Bettina Fischer, Leiterin des Literaturhaus Köln.

Am 5. Februar 1996 wurde der Verein des Literaturhaus Köln im Belgischen Haus gegründet, mit knapp 700 Mitgliedern ist er einer der größten in Deutschland. Die Feier zum 25jährigen Bestehen musste Corona-bedingt digital stattfinden. Dazu gab es eine liebevoll und sorgfältig kuratierte Publikation, die von vielen bunten Gesprächen und anregenden Begegnungen erzählte und vor allem Lust auf die nächsten 25 Jahre macht! Wir gratulieren an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich und freuen uns, dass Bettina Fischer trotz der Vorbereitungen für die Feierlichkeiten Zeit für ein Gespräch gefunden hat. Sie ist nicht nur Leiterin des Literaturhauses Köln, sondern ebenfalls im Vorstand der Literaturszene Köln e.V.

von Paula Döring

Liebe Bettina, erst einmal herzlichen Glückwunsch! Wie schön, dass wir trotz der vielen Termine die so ein Jubiläum mit sich bringt, Zeit für ein kurzes Gespräch gefunden haben. 25 Jahre Literaturhaus Köln, unglaublich. Wie lange bist du selbst mit dabei?

Bettina Fischer: Vielen lieben Dank und sehr gerne. 25 Jahre, das ist schon was. Ich habe 2000 im Literaturhaus als Geschäftsführerin angefangen – und habe 2012 zusätzlich die Programmleitung übernommen. Nächstes Jahr feiere ich zehn Jahre Programmarbeit…

Lass uns gerne ein wenig über deine Arbeit sprechen. Du verantwortest im Literaturhaus sowohl den geschäftlichen als auch inhaltlichen Teil. Wie ist die inhaltliche Gewichtung deiner Arbeit, wie kann ich mir das vorstellen?

Ich schätze es 60/ 40 ein – 60 Prozent der Arbeitszeit definitiv für den Programmteil, bei dem mich meine Kolleginnen Sonja Herrmann und Ulrike Schulte-Richtering unterstützen. Das Programm des Jungen Literaturhauses verantwortet im übrigen Ines Dettmann, wobei ich daran regen Anteil nehme.

Wie geht ihr bei der Programmarbeit vor, worauf achtest du besonders, wenn ihr in die konkrete Planung geht?

Wenn wir mit der Planung beginnen und mit Verlagen und Autor:innen in den Austausch über die Neuerscheinungen gehen, achten wir darauf, dass sowohl bekannte als auch unbekannte Autor:innen auftreten. Offenheit und Neugierde sind der kreative Motor unserer Arbeit. Und überflüssig zu sagen, dass uns Texte erst einmal literarisch überzeugen müssen. In 25 Jahren gab es eine große Anzahl an Begegnungen, viele Autor:innen haben wir von Anfang an begleitet –  als Veranstalter:innen und auch als Leser:innen. Unsere Arbeit hat auch etwas mit Treue zu tun hat.

Im Grunde genommen also ähnlich wie die Arbeit an einem guten Verlagsprogramm?

Ja genau, ein Stück weit ist unsere Arbeit der Verlagsarbeit ähnlich: Vertrauen schaffen durch das, was man schon kennt und Neugier entfachen für das, was neu ist.

Hat sich die Programmarbeit inhaltlich in den letzten Jahren für dich persönlich nochmal an einigen Stellen verändert oder hast du den Blick in eine Richtung geschärft?

Natürlich wirken gesellschaftliche Debatten auf unsere Programmarbeit ein. Ich merke, dass in den letzten Jahren ein stärkeres und geändertes Bewusstsein für Literatur von und über Frauen entstanden ist – nicht nur bei mir. Alles in allem wollen wir ein ausgewogenes Verhältnis aus den verschiedenen Genres und Themen schaffen: Lyrik, Belletristik, Sachbücher, gesellschaftliche Themen. Das Besondere an unserer Arbeit sind aber immer wieder und vor allem die Begegnungen.

Nun ist Köln als Stadt in unser aller Alltag sehr präsent, in wie weit spielt die Stadt, auch in Bezug auf Autor:innen und Verlage, inhaltlich eine Rolle?

Köln ist kein inhaltlicher Schwerpunkt unserer Arbeit. Aber natürlich legen wir Wert darauf, Kölner:innen im Programm zu haben – auch wenn wir grundsätzlich international lesen. Die Nähe zur Kölner Szene ist uns wichtig, vor allem im Sinne von Kooperationen und Netzwerkarbeit. Wir wollen jedoch immer über den Tellerrand schauen – schließlich führen uns auch hiesige Autor:innen hinaus in die Welt.

Hat sich deiner Meinung nach die Literaturszene in Köln und ihre Wahrnehmung in den letzten Jahren verändert?

Absolut – ich arbeite jetzt seit mehr als zwanzig Jahren in Köln in der Literaturszene. Gerade in den letzten Jahren hat sie reichlich neue Impulse bekommen. In den Nuller Jahren hat die Stadt stark unter der Attraktivität von Berlin gelitten. Mit den neuen Studiengängen an der Universität zu Köln oder der Kunsthochschule für Medien, interessanten Stipendien oder auch Reihen und Festivals wie zum Beispiel Land in Sicht oder Insert Female Artists hat sich aber mittlerweile in der Kölner Szene viel getan. Eine lebendige, junge Literaturszene hat sich entwickelt – fernab der etablierten Festivals oder einer Institution wie dem Literaturhaus. Die Szene insgesamt ist beweglicher geworden ist.

Da stimme ich dir zu – wir beide sind Mitglieder der Literaturszene Köln, es wurde außerdem ein Kulturnetzwerk, das alle Sparten vereint, gegründet…

… es gibt ein Stadtschreiberprojekt in Mülheim, mit KLiteratur ein neues, junges Magazin, die Magazine Schliff und Kurze, die von den Unis initiiert wurden. Auch als Teil der Jury des Brinkmann-Stipendiums merke ich, hier tut sich einiges und das ist gut!

Wo siehst du das Literaturhaus und die Szene in ein paar Jahren, was würdest du dir wünschen?

Wie alles was sichtbar werden will, brauchen die Szene und ihre Akteur:innen Wertschätzung und Unterstützung. Ich wünsche mir: gedanklichen Input, Wahrnehmung der Arbeit, die bei Schreibenden natürlich auch im Stillen geschieht, Austausch, mehr Interdisziplinarität. Die Kölner Szene ist vielfältig und breit: Autor:innen, Übersetzer:innen, Verlage, Buchhandel, Veranstalter:innen, Blogger:innen sind alle in Köln aktiv. Diese Vielfalt, die durch Corona vermutlich geschwächt wird, müssen wir erhalten. Als Literaturhaus haben wir am Prozess des Sichtbarmachens Teil, brauchen aber auch Unterstützung.
Ich sehe noch weitere Möglichkeiten für gemeinschaftliche Aktionen der Literaturszene in den nächsten Jahren. Nicht nur aus der Literatur heraus, sondern mit der gesamten Kulturszene und das Hand in Hand.

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Bettina.