Literaturszene Köln: Liebe Anne, du bist Kinderautorin aus Köln. Erzähl uns gern ein wenig von dir und wie du zu deinem Beruf gekommen bist?

Anne Ameling: Ich war von klein auf ein Buchmensch – Sprache hatte für mich immer schon die Kraft, Ordnung in jedes Chaos zu bringen und die Welt größer zu machen. Sie ist meine fünfte Dimension. Schon als Kind habe ich viel gelesen und Texte in allen Varianten produziert. Trotzdem kam der Beruf „Autorin“ in meiner Vorstellung nicht wirklich als solcher vor. Deshalb habe ich viele andere Sachen gemacht, bevor ich Bücher geschrieben habe, Geschichte studiert, in einem Verlag gearbeitet, lektoriert, übersetzt, getextet… Erst als ich durch meinen Sohn wieder in die Welt der Kinderliteratur stolperte, ruckelte sich diese Möglichkeit leise, aber kontinuierlich in mein Leben – und ich musste erstaunt feststellen, dass es genau das war, was ich eigentlich immer schon am liebsten gemacht hatte: Geschichten erzählen, die Welt neu ordnen und größer machen. Vielleicht auch ein bisschen schöner… (Um es mit Neil Gaiman zu sagen: The world always seems brighter when you’ve made something that wasn’t there before.) Das für Kinder zu tun, macht es umso spannender, es bringt mir viel spielerischen Freiraum als Autorin.

Literaturszene Köln: Du warst mit einer Lesung bei unserem ersten Kinder- und Jugendbuchtag in Köln dabei. Wie hast du die Veranstaltungsreihe wahrgenommen und was hat dir gut gefallen oder vielleicht auch nicht so gut?

Anne Ameling: Ich habe aus dem Buch „Die fabelhafte Welt der Mona Flint“ gelesen. Der Seminarraum, in dem die Lesung stattfand, platzte aus allen Nähten! Ich glaube, der riesige Zuspruch, den die ganze Veranstaltung hatte, hat uns alle umgehauen. Ich fand es großartig, dass an diesem Tag mal die Bandbreite der Kölner Kinder- und Jugendbuchszene sichtbar gemacht wurde und das auf so viel Interesse gestoßen ist. Außerdem war es eine Gelegenheit, sich mit Menschen aus der Szene zu treffen und ins Gespräch zu kommen – für die Besucher:innen wie für die Autor:innen. Das Filmhaus war die perfekte Location dafür, alle Veranstaltungen an einem Ort, mit einer zentralen Theater- und Musikbühne draußen. Besonders beeindruckt war ich von der Ausdauer der Kinder, die sich teilweise in drei, vier Veranstaltungen hintereinander gesetzt haben und immer noch mit Begeisterung dabei waren. Es war ein richtiges Lesefest – mit Potenzial für eine Fortsetzung… oder?

Literaturszene Köln: Wie nimmst du die Literaturszene in Köln wahr?

Anne Ameling: Ich muss zugeben: Sie bestand in meiner Wahrnehmung lange Zeit vor allem aus der lit.cologne, die immer mit großen und internationalen Namen aufwartet und ein- bis zweimal im Jahr so präsent ist, dass sie scheinbar schon eine Menge Lesungs- und Literaturbedarf  abdeckt. Ich durfte 2019 dort lesen. Neben der lit.cologne gibt es aber eine Menge mehr, das zwar medial nicht ganz so stark glitzert, aber viel Dynamik entwickelt hat, gerade in den letzten Jahren, so kommt es mir vor. Die Szene scheint mir diverser zu werden, es gibt eine Menge zu entdecken, Leseorte, Veranstaltungen, Literaturformen, und nicht zuletzt die Menschen dahinter, die ein Teil der Stadt sind… Außerdem hat die Corona-Pandemie uns allen, glaube ich, vor Augen geführt, wie wichtig starke lokale Strukturen und Netzwerke sind. Ohne sie würde ja auch ein tolles Festival wie die lit.cologne irgendwie im luftleeren Raum stattfinden.

Literaturszene Köln: Wie seid ihr Kinder- und Jugendbuchautor:innen untereinander vernetzt? Gibt es regelmäßigen Austausch, Stammtische?

Anne Ameling: Die meisten meiner Kolleg:innen hier in Köln habe ich über den Kinder- und Jugendbuchautor:innen-Stammtisch kennen gelernt, der sich vier Mal im Jahr trifft. Es gibt eine Facebook-Seite, über die ein Austausch z.B. zu aktuellen Themen stattfindet, aber auch gemeinsame Aktionen wie die Heimspiel-Lesungen. Literarisches Schreiben kann ein sehr einsamer Prozess sein, da ist es umso wichtiger, sich zu vernetzen. Ich kann nur jede*n dazu ermutigen, genau das zu tun – gerade, weil ich selbst eine Weile gebraucht habe, mich „rauszutrauen“ als Autorin und irgendwo anzudocken, mit dem, was ich tue.

Literaturszene Köln: Gibt es Bereiche bei denen du dir wünschen würdest, die Literaturszene würde aktiver auftreten oder sich noch mehr einsetzen? Oder hat sich in den letzten Jahren und durch das tatkräftige Engagement des Literaturhauses und des Jungen Literaturhauses schon einiges bewegt?

Anne Ameling: Das Literaturhaus hat dazu beigetragen, die lokale Szene zu vernetzen und sichtbarer zu machen. Es ist gut, hier so ein „Gravitationszentrum“ zu haben. Das Junge Literaturhaus, der Kinder- und Jugendbuchtag, das Kölner Kinder- und Jugendbuchstipendium für Autor*innen aus der freien Szene – das alles zeigt, dass auch die Kinderliteratur mehr in den Fokus gerückt ist. Zurecht! Sie ist ein wichtiges und spannendes Genre, kein pädagogisches Instrument der Leseförderung. Manchmal würde ich mir wünschen, dass die Trennung zwischen „echter“ Literatur und „nur“ Kinderliteratur hierzulande endlich aufgeweicht wird in den Köpfen und es mehr Mut gibt, diese Abgrenzung und vor allem dieses „nur“ zu überwinden.

Kinder sind kein drittklassiges (Lese-)publikum; wer das annimmt, unterschätzt sie gewaltig, und auch Erwachsene können von Kinderliteratur bezaubert, berührt, unterhalten und in den Bann gezogen werden (ein paar meiner Lieblingsbücher gehören zur Kinderliteratur). Von mehr Gleichrangigkeit in der Wahrnehmung als Genre würden alle profitieren, das zeigt ein Blick etwa auf den schwedischen Buchmarkt – darauf sollte weiter hingearbeitet werden, auch hier in der Kölner Szene.

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Anne!

Die Fragen für die Literaturszene Köln

Anne Ameling kam in den 90er Jahren aus dem Münsterland mit einem kleinen Umweg über London nach Köln, um Geschichte, Anglistik und Romanistik zu studieren. Sie ist freie Autorin, Lektorin, Übersetzerin und Textfinderin für verschiedene Medien und schreibt seit 2010 auch Kinderbücher, alles in ihrem Büro in Ehrenfeld. Ihr aktuelles Buch heißt „Die fabelhafte Welt der Mona Flint“ und ist ein Fantastischer Kinderroman ab 9.

Kinderbücher unter www.anneameling.de

Lektorat/Schreibcoaching, Textdienstleistungen, Einfache Sprache & Übersetzungen aus dem Englischen unter www.kurswortwest.de