Literaturszene Köln: Liebe Daniela Danz, die 9. Ausgabe der poetica trägt den Titel „After Nature“. Was erwartet uns, was können sich die Besucherinnen und Besucher darunter vorstellen?

Daniela Danz: Die Klimakrise ist in aller Munde und steht uns fast täglich bedrohlich vor Augen. Wir schwanken  zwischen Mutlosigkeit und dem Mutwillen, sie zu ignorieren. Beides trennt uns mehr von der Natur als es uns eine Beziehung mit ihr pflegen lässt. Was zumeist fehlt, ist der sinnliche Zugang. Das ist, was die Dichtung uns geben kann. Sie kann durch Imagination direkte und persönliche Erfahrungen erzeugen und vermitteln, damit Natur uns nicht fremd wird über diesen Zwiespalt. Der Titel „Nach der Natur“ meint eben beides – das, was der Natur nachempfunden ist und das was nach ihr kommt. Die Zuhörenden erwarten Abende, an denen sie daran erinnert werden, was Natur ihnen selbst bedeutet, denn ich glaube, man versteht etwas am besten, wenn man sieht, was andere bewegt und berührt. Es wird Abende geben, an denen Verbindungen zwischen den Natur- und Naturzerstörungserfahrungen ganz verschiedener Kontinente sich zu einer Erzählung verbinden oder miteinander streiten. An den Nachmittagen gibt es Diskussionen, in der die Dichter:innen uns einen Gegenstand oder ein Geräusch mitbringen, das für ihren Bezug zur Natur wichtig ist und meine Hoffnung ist, dass bei der Abschlussveranstaltung im Schauspiel Köln alle verschiedenen Naturdichtungen sich zu einem großen Gedicht verbinden, das zeigt, wie vielgestaltig der Blick auf Natur sein kann.

Literaturszene Köln: Welche Rolle spielt Natur in Ihrem eigenen schriftlichen Werk?

Daniela Danz: Tatsächlich habe ich die Orte, an denen ich gelebt habe, immer in Hinblick auf ihre Umgebung gewählt. Ich kann an keinem Ort leben, dessen natürliche Strukturen mich nicht interessieren. Diese können durchaus menschengemacht sein wie die Kaliabraumberge oder die weiten Felder des Ostens. Aber sie müssen mir Stoff genug bieten, dass ich mich selbst als in eine Landschaft eingeschrieben begreifen kann. Mein letzter Gedichtband „Wildniß“ handelt davon, wie Menschen sich Orten und Orte sich Menschen einschreiben.

Literaturszene Köln: Was war Ihr Ansatz als Kuratorin, wie sind Sie an die Erstellung des Programms herangegangen?

Daniela Danz: Während das Thema „Nature Poetry“ in der angloamerikanischen Poesie, aber auch in Westeuropa inzwischen sogar Einzug in die Schulbücher gehalten hat, ist mir bei Literaturfestivals und Lesungen in anderen Ländern aufgefallen, dass das Thema dort ganz andere Gewichtungen hat. Dieser Verschiedenheit der dichterischen Zugänge zu Natur, auch geprägt durch die Lebenswelt und die Erfahrungen der Dichter:innen auf der Poetica eine Bühne zu geben, war mir wichtig. Ich habe mir also zu Beginn eine Liste mit wichtigen Aspekten dieser unterschiedlichen Zugänge zur Naturdichtung gemacht, z.B. Politik, Geschichte, Industrie, Arbeit, Religion und habe dann, gemeinsam mit den Veranstaltern der Poetica, Professor Günter Blamberger und Michaela Predeick möglichst unterschiedliche poetische Positionen dazu gesucht – unter den Dichter:innen deren Werke ich besonders schätze, denn dass wir eine Woche lang gute Gedichte hören wollen, war natürlich das wichtigste Kriterium.

Literaturszene Köln: Welchen Bezug haben Sie zu der Stadt Köln, wie nehmen Sie die Stadt wahr?

Daniela Danz: Als Kunsthistorikerin habe ich eine ziemlich enge Beziehung zu den Kölner Kirchen. Und ich habe auch meine Doktorarbeit über die Krankenhauskirche in Hohenlind geschrieben. Als ich die Arbeit fertigstellte, musste ich noch einmal im Stadtarchiv wegen einer Signatur anrufen und wunderte mich, wieso über Stunden niemand ans Telefon ging, das war gerade der Nachmittag als es eingestürzt war.

Literaturszene Köln: Gibt es einzelne Veranstaltungen, die ich in der Ankündigung nochmal besonders hervorheben soll, weil sie Ihnen am Herzen liegen?

Daniela Danz: Oh ja, gern: Die Veranstaltung mit Rou Reynolds am Abend des 23. Januar. Dass es uns gelungen ist, einen so interessanten Musiker und Liedschreiber wie Rou Reynolds den Frontmann der englischen Post-Hardcore-Band Enter Shikari zur Poetica zu holen und mit ihm über seine engagierten Texte sprechen zu können, finde ich immer noch ganz unglaublich.

Wir danken für das schöne Gespräch!

Die Fragen für die Literaturszene Köln stellte Paula Döring.

Daniela Danz (1976) ist eine deutsche Lyrikerin und Autorin. Sie studierte Kunstgeschichte und Germanistik und promovierte zum Thema Krankenhauskirchenbau. Seit 2021 ist sie Vizepräsidentin der Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz. Danz schreibt Gedichte, Romane, Essays und Kinderliteratur. Ihre Lyrik befasst sich mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen vor dem Hintergrund historischer Stoffe und Formen. 2019 schrieb sie das Libretto für Der Mordfall Halit Yozgat, einer Oper von Ben Frost, die auf Recherchen von Forensic Architecure zur NSU-Mordserie beruht. Die Werke von Daniela Danz wurden vielfach ausgezeichnet. 2018 erhielt sie den Kunstpreis der Berliner Akademie der Künste, 2019 den Deutschen Preis für Nature Writing. Für ihren neuesten Gedichtband Wildniß (2020) bekam sie den Günter Kunert Literaturpreis für Lyrik (2021) und den Lyrikpreis Orphil (2022). 2023 erhielt sie den Thüringer Literaturpreis für ihr literarisches Schaffen und gesellschaftliches Engagement.