Literaturszene Köln: Liebe Friederike, den anderen Buchladen gibt es gleich zwei Mail in Köln: Einmal in Sülz und einmal in der Südstadt. Wie ist es dazu gekommen und was können wir uns darunter vorstellen?

Friederike Dobisch: Der andere Buchladen wurde Anfang der 70iger Jahre als links-politisches Kollektiv gegründet, entwickelte sich über die Jahre zu einer Buchhandlung mit Schwerpunkt im politischen und wissenschaftlichen Sachbuch (wichtiger Anknüpfungspunkt war und ist die Nähe zur Uni Köln), Literatur aus Lateinamerika, Zeitschriften, ausgewählter Belletristik , Reiseliteratur und Kinderbuch. Von Beginn war es ein Anliegen, kleinen unabhängigen Verlagen eine Plattform zu bieten, Bücher sichtbar machen, die in anderen Buchläden nicht zu finden waren. Damit erklärt sich auch der Name. Diesem Anliegen sind wir bis heute treu, wobei aber auch der andere Buchladen sein Sortiment geöffnet hat bzw. öffnen mußte, um bestehen zu können.

Literaturszene Köln: Seit wann leitest du das Geschäft am Ubierring und was ist so „anders“ an eurer Buchhandlung?

Friederike Dobisch: Die Keimzelle ist der Laden in Sülz, jahrelang in der Zülpicherstraße, seit Anfang der 2000er Jahre im Weyertal. Im Jahr 2003 hat die Buchhandlung Witsch ihren Laden am Ubierring dem „anderen Buchladen“ zum Kauf angeboten. Ich war seit ein paar Jahren bei Witsch am Ubierring tätig, kannte den Laden, das Umfeld und die Kundschaft (z.B. die TH, früher noch FH Köln). In der städtischen Buchhandelslandschaft kennt man sich und so haben mich die Leute vom AB gefragt, ob ich bereit wäre, die Geschäftsführung zu übernehmen, wenn sie den Laden kaufen. Und ich hab „Ja“ gesagt.

Seit letztem Jahr habe ich, außer 2 studentischen Aushilfen, eine junge Kollegin, Kaya Huppertz, an meiner Seite. Sie betreut u.a. unseren Instagram Auftritt. Ein „must have“ in der heutigen Zeit.

Literaturszene Köln: Wie liest die Südstadt? Kannst du besondere Vorlieben erkennen, was funktioniert bei euch besonders gut?

Friederike Dobisch: Die Südstadt liest zum Glück noch! Und das auch vielfältig!

Was die Genres angeht, eigentlich alles: Belletristik – gern abseits der Spiegelbestsellerlisten –, politisches, kulturgeschichtliches Sachbuch. Wir haben seit längerem extra Abteilungen zu den Themen Rassismus und Feminismus. Für unsere Kinderbuch-Auswahl bekommen wir regelmäßig viel Lob. Ausgebaut haben wir das Segment „illustierte Bücher“ (z.B. graphic novels). In letzter Zeit werden auch vermehrt Bücher in Originalsprache, vor allem englische Bücher, gesucht. Für das jüngere Publikum, das zu unserer Freude seit ein paar Jahren wieder vermehrt in den Laden kommt, ist es selbstverständlich, Bücher im englischen Original zu lesen.

Darüber hinaus haben wir auch weiterhin Fachbücher für einige Studiengänge der TH Köln. Allerdings hat sich in diesem Segment sehr viel verändert… Als ich 1986 nach Köln kam, gab es 5 Buchhandlungen in unmittelbarer Nähe der Uni, heute keine einzige mehr! Wir machen regelmäßig thematische Fenster / Schaukästen; im Laden haben wir zwei rote Präsentationswände, die wir für solche Aktionen nutzen. Zurzeit haben wir dort Bücher zu den Themen Nahost-Konflikt, Krieg in der Ukraine ausgestellt. Dort finden sich Titel aus allen Genres, Belletristik, Sachbuch und auch Kinderbuch. Das findet viel Zuspruch bei unserer Kundschaft.

Eine Besonderheit bei uns ist: Wir sind Partner der Büchergilde, einer genossenschaftlich organisierten Buchgemeinschaft, die es schon seit den 20ziger Jahren des letzten Jahrhunderts gibt. Unsere genaue Berufsbezeichnung ist eigentlich „Sortimentsbuchhändler*in“: Genau so verstehen wir unseren Beruf auch: wir „sortieren“, treffen eine Auswahl aus dem riesigen Angebot. „Ach, wie schön, bei Ihnen sieht man mal andere Bücher, die sieht man sonst nicht“ – also ist der Name immer noch stimmig.

Literaturszene Köln: Literatur oder Sachbuch: Was ist dein Steckenpferd?

Friederike Dobisch: Ich bin eher in der Belletristik beheimatet. Lese Sachbücher häufig eher kursiv. „So many books so little time“, ich gehe auch noch gern ins Kino oder ins Theater.

Literaturszene Köln: Ihr veranstaltet selbst häufig Lesungen oder unterstützt Veranstalter:innen bei Lesungen mit Büchertischen: Wie nimmst du die Kölner Literaturszene insgesamt wahr und was würdest du dir für die Zukunft wünschen?

Wir am Ubierring machen eher selten eigene Veranstaltungen, das Weyertal ist da aktiver. Veranstaltungen machen Arbeit und kosten Geld. Bekanntere Autor*innen sind oft für einen Laden ohne finanzielle Unterstützung nicht zu finanzieren. Bei der Vielzahl von Veranstaltungen in Köln überhaupt, ist es nicht so einfach, genügend Publikum zu gewinnen. Wenn ich mir so das Lesungsangebot/Veranstaltungsangebot anschaue, dann würde ich sagen, die Kölner Literaturszene ist eine lebendige.

Ich hole mir die nötigen Informationen in erster Linie nach wie vor aus der Stadtrevue, dem Stadtanzeiger oder Choises. Ich bin eher der Typ „Newsletter“, mache privat nichts in den sozialen Medien. Ein Newsletter, der alle Literatur bezogenen Veranstaltungen bündelt und mir einmal im Monat zugestellt wird, den würde ich sofort abonnieren!

Aber ehrlich gesagt, gehe ich nicht mehr so viel auf Lesungen – sind es doch mittlerweile zahlreiche, auf denen ich im Laufe meines Lebens als Buchhändlerin und Leserin war – zudem machen wir diverse Büchertische (z.B. bei der Litcologne, Salonfestival, Fachtagungen…), das reicht dann meistens.

Literaturszene Köln: Was ist deine aktuelle Leseempfehlung?

Friederike Dobisch: Das lese ich gerade:

Gospodinov, Zeitzuflucht

Das Buch wurde letztes Jahr mit dem International Booker Prize ausgezeichnet

Der Roman braucht etwas Anlauf, aber dann ist er großartig. Er ist zugleich dystopisch, bissig und witzig.

In der „Klinik der Vergangenheit“ finden Menschen die Möglichkeit in andere Jahrzehnte zurückzukehren. Das hat so viel Erfolg, das überall „Vergangenheiten“ zu wuchern beginnen. Teils erleben wir bewegende Einzelschicksale, philosophische Reflexionen und burleske Szenen. Und bei diesen Ausblicken und Rückblicken hat man irgendwann auch ein Bild unserer Gegenwart vor sich.

Und wenn nicht zu viel Zeit gern Erzählungen, ein unterschätztes Genre wie ich finde. z.B. Diane Olive, Nachbarn oder Jane Campell, kleine Kratzer