Literaturszene Köln: Am 27. Oktober startet das 3. Litfest homochrom. Was für ein Programm erwartet die Besucher:innen?

Martin Wolkner: Wir freuen uns, 22 spannende Stimmen aktueller queerer Literatur in Köln begrüßen zu dürfen. Von gelebter Geschichte bis zur Sci-Fi-Liebe, von Lyrischem über Wortwitz bis zum Tabuthema Detransition, zehn Tage lang feiern wir Texte jenseits der Heteronormalität. Darunter sind gesellschaftspolitische Autobiografien, z.B. vom TV-Moderatoren Jochen Schropp und dem Roma-Aktivisten Gianni Jovanovic, aber auch der neue Jugendroman der vielseitigen Anne Freytag, das gefeierte Debüt des britischen Historikers Tom Crewe, die Premiere des Virginia-Woolf-Biografieromans von Katja Kulin und zum Abschluss trägt der Olympionike und Spiegel-Bestsellerautor Balian Buschbaum vor »Warum Diversity uns alle angeht«.

Genau hinhören sollte man auch bei den Kurzgeschichten unbekannterer Autor*innen, die sowohl herausragend als auch allesamt unveröffentlicht sind (na ja, sie erscheinen jetzt in der Festivalanthologie »Queeres entdecken 2023«). Und damit das Entdecken dem Publikum leichtfällt, ist der Eintritt bei mehr als der Hälfte der Lesungen und Gespräche kostenlos.

Literaturszene Köln: Wie nimmst du die Literaturszene Kölns wahr?

Martin Wolkner: Es überrascht vermutlich, aber um offen zu sein, nehme ich sie gar nicht wirklich wahr. Ich habe mich vor 20 Jahren mal zum Slam im Blue Shell getraut und dieses Frühjahr an einem Slam der Veedelpoet*innen teilgenommen – und das war’s. Ich lebe schon immer in Westfalen und bis 2019 drehte sich bei mir fast alles ums Kino, denn 2009 hatte ich homochrom als Filmreihe begonnen, die wir 2011 um ein Festival in Köln und Dortmund erweiterten. Der einzige Berührungspunkt mit Kölner Literatur in dieser Zeit war Praunheims Doku über Ralf König. Und seit dem Ende des Filmfestivals habe ich mich bewusst zum Schreiben von zwei neuen Romanen zurückgezogen, die diesen Winter endlich fertig werden sollen.

Literaturszene Köln: Und wie ist euer Literaturfestival entstanden?

Martin Wolkner: Ich hatte immer irgendwie mitgekriegt, was in der queeren Szene geschah: Kneipen, Partys, Aufklärung, Sport, Theater, Musik – und den Filmbereich hatten wir bei homochrom lange mitgestaltet. 2021, in meinem dritten Jahr der Schreibklausur, herrschte Aufbruchstimmung, alles tönte vom Neustart Kultur und wir hatten homochrom längst neu auszurichten begonnen. Ich hatte Lust auf Literatur und plötzlich machte es klick: Wie 2009 im Filmbereich sah ich die queere Leerstelle, aber noch massiver. Ich hatte zwar von queeren Buchmessen in Frankfurt und Berlin gehört, vom Mainzer Festival QUEER gelesen, das 2015-19 stattgefunden hatte, von einigen Queer-Slams in NRW, aber ausgerechnet die Homohauptstadt Köln schien öde und leer. Queerer Literatur wird viel zu wenig Beachtung geschenkt. Also haben wir abermals ein neues Festival gegründet.

Literaturszene Köln: Wie seid ihr intern aufgestellt?

Martin Wolkner: Wir sind ein kleines, relativ konstantes Kernteam und dankbar dafür, dass wir immer wieder Mitstreiter:innen für unsere Projekte gefunden haben.

Literaturszene Köln: Wie finanziert ihr euch?

Martin Wolkner: Wir haben viel ehrenamtlich gemacht, haben immer wieder einige Ticketeinnahmen und Spenden, aber ohne Förderung geht es bei größeren Projekten wie unseren Festivals nicht. Für queere Kultur gibt es trotz Pinkwashing bisher leider keine wirtschaftlichen Sponsorings.

Literaturszene Köln: Was würdest du dir für die Zukunft wünschen?

Martin Wolkner: Was ich mir immer wünsche: Liebe, Frieden, mehr Wertschätzung für queere Kultur – und einen Verlag für meine Romane zu finden.

Literaturszene Köln: Vielen Dank, Martin, für das Gespräch!

Martin Wolkner hat an der Ruhr-Uni Bochum einen Magisterabschluss in Anglistik, Germanistische Linguistik und Film-/Fernsehwissenschaft gemacht und wollte immer Schriftsteller und Filmemacher werden. Mit neunzehn verfasste er seine erste Novelle, bis zum Studienende zwei Romane, doch dann gründete er 2009 homochrom. Er war u.a. als Journalist, Filmkritiker, Untertitler und Übersetzer tätig. 2016 initiierte er den Queerscope-Debütfilmpreis und 2017 saß er in der Teddy-Awards-Jury der Berlinale. Seit 2021 leitet er das Litfest homochrom und er arbeitet an neuen Romanen.