Im Sommer 1949 wird ein palästinensisches Beduinenmädchen von israelischen Soldaten vergewaltigt, ermordet und in der Wüste verscharrt. Jahrzehnte später versucht eine junge Frau aus Ramallah, mehr über diesen Vorfall herauszufinden. Adania Shibli verwebt in Eine Nebensache (Berenberg, Übersetzung von Günther Orth) die Geschichten beider Frauen zu einer eindringlichen Meditation über Krieg, Gewalt und die Frage nach Gerechtigkeit im Erzählen. Jan Ehlert moderiert, aus der deutschen Übersetzung liest Beatrice Faßbender.
Man reißt ein Grasbüschel aus und glaubt, man sei das Kraut für immer los, aber nach einem Vierteljahrhundert wächst Gras derselben Art an derselben Stelle wieder nach.
»Adania Shibli wagt viel, wenn sie das Schlüsselereignis ihres Romans – die Vergewaltigung und Ermordung einer jungen Beduinin – zwei äußerst ichbezogenen Erzählern anvertraut, einem israelischen Psychopathen und einer palästinensischen Amateurdetektivin unter Autismus-Verdacht. Dieser Umweg erweist sich als voll und ganz gerechtfertigt«, schreibt J. M. Coetzee über Eine Nebensache. Weil das Verbrechen auf den Tag genau fünfundzwanzig Jahre vor ihrer Geburt begangen wurde, ist eine junge Frau aus Ramallah geradezu besessen davon, mehr über die Tat herauszufinden. Auf ihrer Spurensuche stößt sie auf viele tausend Nebensachen, die in der Geschichtsschreibung nicht auftauchen, und fügt sie zu einer neuen Perspektive zusammen. Adania Shibli, die 2021 für Eine Nebensache für den International Booker Prize nominiert war, spürt in ihrem Roman der Frage nach, was Geschichten bewahren können, was erzählt, was ausgelassen wird. Und beschwört im Erzählen eine Gegenwart, die von der Vergangenheit heimgesucht wird.
Veranstaltungspartner: Berenberg Verlag
Foto: © Hartwig Klappert