Literaturszene Köln: Liebe Anja, was genau ist der Börsenverein und wie sehen die Tätigkeitsfelder aus?
Anja Bergmann: Unsere Mitglieder – Verlage, Buchhandlungen, der Zwischenbuchhandel und Partnerunternehmen der Branche – stehen im Zentrum unserer Arbeit. Neben praktischen Services und Beratungsdienstleistungen stellen wir diesen Plattformen zum Austausch, zur Meinungsbildung und zum Netzwerken zur Verfügung. Wir stehen für Branchenstandards wie die Buchpreisbindung, die reduzierte Umsatzsteuer und ein modernes Urheberrecht in der Informationsgesellschaft.
Die Freiheit des Wortes trägt unsere Gesellschaft. Deshalb arbeiten wir mit Leidenschaft für das Buch, setzen uns für seine Sichtbarkeit im öffentlichen Raum ein und engagieren uns für den vielfältigen Handel bei intaktem Wettbewerb. Wir engagieren uns für die Vielfalt des Buchmarktes und für die Meinungsfreiheit. Unser kulturelles Engagement verkörpern wir vor allen Dingen mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und mit dem Deutschen Buch- bzw. Sachbuchpreis.
LK: Wie viele Mitarbeiter:innen hat der Börsenverein und wie ist er in Deutschland aufgestellt?
AB: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels setzt sich aus dem Bundesverband in Frankfurt und einem Büro in Berlin, den Landesverbänden und uns, der Regionalgeschäftsstelle NRW zusammen. Wir sind in Düsseldorf zu fünft, im Bundesverband sind es an die 60 Kolleg*innen. Die Frankfurter Buchmesse, MVB und mediacampus frankfurt sind Tochterfirmen des Verbandes – alles in allem sind wir um die 370 Mitarbeitenden.
LK: Wie profitieren Buchhandel und Verlage davon, wenn sie Mitglied im Börsenverein sind, welche Vorteile haben sie?
AB: Die Mitglieder profitieren auf vielfältige Weise. Die Mitgliedschaft ist freiwillig, der Beitrag richtet sich nach Umsatzgröße. Wir sind die Interessenvertretung der Branche in Richtung Politik, d.h. wir sorgen für stabile Rahmenbedingungen wie oben genannt.
Der Verband berät außerdem in branchenspezifischen Alltags- und Rechtsfragen, bietet Seminare und Ausbildungsberatung an. Wenn man einen Verlag oder eine Buchhandlung gründen oder übernehmen möchte, bieten wir Starthilfe. Außerdem verstehen wir uns als Netzwerk zwischen den Branchenteilnehmenden sowie zu Institutionen außerhalb.
Das war jetzt sehr technisch. Kurz gesagt, man kann uns z.B. anrufen, wenn man einen Ausbildungsplatz einrichten möchte oder mal nicht mit der Inventur klarkommt, die Coronaregeln erfragen oder wissen möchte, wie das mit dem Titelschutz funktioniert. Zuletzt hatten wir ein digitales Treffen zum Thema Nachhaltigkeit in der Branche oder informieren über die neuen Regelungen zum Thema barrierefreies Publizieren.
LK: Wie sieht es mit Autor:innen aus? Haben sie ebenfalls die Möglichkeit vom Netzwerk zu profitieren?
AB: Autor*innen können nicht Mitglied werden, da würde uns vermutlich auch der Schriftstellerverband auf die Barrikaden gehen. Indirekt profitieren sie aber natürlich schon, wenn es um die politischen Rahmenbedingungen geht, die ich vorhin ansprach. Sicher gibt es auch die ein oder andere Stelle, an der ein Austausch stattfindet.
LK: Liebe Anja, du leitest die Regionalgeschäftsstelle NRW, wie genau sehen deine Tätigkeitsfelder aus und wie ist der Börsenverein in NRW aufgestellt?
AB: Meine Aufgabe ist es, das Büro in Düsseldorf zu führen und Projekte, Dienstleistungen, oder sagen wir allgemein Themen, die für die Mitglieder hier relevant sind, anzuregen. Ich stelle die Verbindung zur Landespolitik her. Manches geht besser vor Ort, auch die Vernetzung unter den Mitgliedern hier in Nordrhein-Westfalen.
Wir organisieren zahlreiche Treffen in den verschiedenen Landesteilen. Das ging unter Corona nicht vor Ort, aber auch die digitalen Termine sind gut angenommen worden. Und wir starten jetzt endlich, endlich wieder mit physischen Treffen – Ende April sind wir vom Greven Verlag in Köln eingeladen, hinter die Kulissen zu schauen – darauf freue ich mich sehr.
Regional besonders ist z.B. auch das Thema Schulbuchausschreibungen oder Innenstädte. Wir können Neugründer*innen am besten vor Ort beraten. Den Landesentscheid des Vorlesewettbewerbs richten wir zum Beispiel auch in Kooperation mit einer Buchhandlung aus.
LK: Wie bist du zum Börsenverein gekommen und was macht ihn für dich so besonders?
AB: Ganz klassisch, über ein Volontariat. Ich war auf der Suche nach einer Anstellung in der Buchbranche und habe dafür die Jobbörse des Verbandes genutzt. Dass dort gerade ein Volontariat in der Geschäftsstelle in Düsseldorf ausgeschrieben war, war ein glücklicher Zufall. Das ist ein guter Start, als Netzwerk innerhalb der Branche, dachte ich mir damals. So war es auch, für die vielen Volontärinnen, die wir in den vergangenen Jahren ausgebildet haben – hoffe ich zumindest.
Ich selbst bin dann allerdings „hängen geblieben“, wie man so schön sagt, und habe den Bereich Aus- und Fortbildung sowie später die Pressearbeit übernommen. 2017 ging dann meine Vorgängerin in Ruhestand und ich konnte wieder eine neue Perspektive auf die Arbeit des Verbandes gewinnen. Mir gefällt der Gestaltungsspielraum, den ich nun nochmal mehr habe. Wir müssen ein Ohr bei den Mitgliedern haben, um neue Themen und Fragestellungen aufmerksam mitzubekommen um dann ein passendes Angebot „zu stricken“.
Besonders Spaß macht es mir, die richtigen Leute miteinander zusammenzubringen. Wenn ich merke, dass auf einem Treffen zwei Kolleg*innen zusammenstehen und gemeinsam Ideen entwickeln, aus denen sich später eine Veranstaltung oder ähnliches entwickelt, bin ich happy.
LK: Die Regionalgeschäftsstelle NRW sitzt in Düsseldorf, du lebst in Wuppertal: Wie nimmst du die Literaturszene in Nordrhein-Westfalen, aber auch in Köln war?
AB: Köln ist die Stadt in Nordrhein-Westfalen, in der wir die meisten Mitglieder haben. Die großen belletristischen Verlage sitzen vor allem hier. Und auch die großen Fachverlage – das ist jetzt nicht „Literatur“ in dem Sinne, die sind vermutlich bei euch wenig engagiert, aber für mich gehört das zur Wahrnehmung der Branche. Und spiegelt auch die Struktur unsere Mitglieder im Ganzen wider.
Aber nicht nur die Verlagsszene ist in Köln sehr vielfältig, sondern auch die Buchhandelslandschaft. Auch hier: in keiner anderen Stadt haben wir so viele Mitglieder aus dem Sortiment, es gibt viele kleine Stadtteil-Buchhandlungen in Köln, einige spezialisierte, aber auch die sogenannten Großen gehören natürlich dazu. Vor vielen Jahren haben wir übrigens gemeinsam mit einer Touristikagentur eine Stadtführung zu den Buchhandlungen in der Kölner Innenstadt gemacht – vielleicht möchte die Literaturszene das Projekt übernehmen?
In Nordrhein-Westfalen gibt es mittlerweile drei Netzwerke, die die Literaturszenen in den verschiedenen Regionen verbinden: LilaWe, Literaturgebiet Ruhr und das Literaturland Rheinland. Vernetzung bringt einen weiter. Zu sehen, dass andere mit den gleichen Herausforderungen kämpfen, oder vielleicht die Lösung für das eigene Problem haben, ist so, so wertvoll. Gemeinsam kann man viel mehr angehen als als Einzel-Person.
LK: Was könnte man aus deiner Sicht in den kommenden Jahren noch verbessern und was würdest du dir für die Szene wünschen?
AB: Die Kölner Literaturszene nehme ich als vielfältig war, und ich weiß, dass die Konkurrenz in einer so großen Stadt beträchtlich ist – und umso schwerer ist es, sich nicht von dem Konkurrenzgedanken treiben zu lassen, sondern gemeinsam etwas anzupacken, wie ihr das in der Literaturszene tut. Denn es ist vor allem wichtig, Sichtbarkeit für Literatur zu schaffen – das ist im Grunde auch eine Antwort auf die vorangegangene Frage. Netzwerk und Sichtbarkeit halte ich für zwei grundlegende Pfeiler für erfolgreiches Arbeiten in der Kultur. Bücher sollten sichtbar sein: in der Innenstadt, im virtuellen Raum, in der Kulturpolitik, bei jeder und jedem daheim. Nur was sichtbar ist, erhält auch Aufmerksamkeit. Und Aufmerksamkeit brauchen wir doch, für die so wichtigen Anliegen der Literatur.
Vielen Dank für das Gespräch, liebe Anja!
Die Fragen für die Literaturszene Köln stellte Paula Döring.
Anja Bergmann leitet als Regionaldirektorin seit 2017 die Regionalgeschäftsstelle NRW des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Sie hat nach ihrem Studium der Germanistik ein Volontariat beim damaligen Landesverband NRW des Börsenvereins absolviert und war dort anschließend als Referentin für die Aus- und Fortbildung, später auch für den Bereich Presse- und Projekte verantwortlich.
Neben dem Studium hat sie als freie Mitarbeiterin für ein Stadt- und Kulturmagazin geschrieben, ehrenamtlich hat sie lange die Regionalgruppe Rhein-Ruhr des Arbeitskreises für VerlagspressesprecherInnen (AVP) geleitet. Heute ist sie Vorstands-Mitglied des Literaturrates NRW, in der Jury für den Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendliteratur und im creative.board des Wirtschaftsministeriums.