Literaturszene Köln: Liebe Michaela, vom 17. bis 22. April findet zum 8. Mal die poetica statt. Wer hatte 2015 die Idee dazu?

Michaela Predeick: Das Konzept für das Festival hat der Literaturwissenschaftler Günter Blamberger – der die Poetica bis heute leitet – gemeinsam mit dem damaligen Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Heinrich Detering entwickelt. Die Poetica war zunächst Teil des Internationalen Kollegs Morphomata an der Universität zu Köln, einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt mit internationalem und interdisziplinärem Schwerpunkt. Dem Festival liegt der Gedanke zugrunde, dass Literatur ebenso Wissen formt wie die Wissenschaften – die ja schon ihrer Bezeichnung nach das Wissen scheinbar monopolisiert haben. Deshalb fungieren bei uns Dichter:innen als Kurator:innen und laden jährlich zu einem selbstgewählten Leitthema bis zu zehn internationale Autor:innen ein. Zudem liegt bei der Poetica der Schwerpunkt auf der Lyrik – einer Gattung, die eher selten auf der großen Bühne präsentiert wird.

LK: Das internationale Literaturfestival wird immer von einem Autor, einer Autorin kuratiert, in diesem Jahr ist es Christian Filips. Was erwartet das Publikum und gibt es einen inhaltlichen Schwerpunkt?

MP: Christian Filips, der selbst nicht nur Dichter und Übersetzer, sondern auch Programmleiter der Sing-Akademie zu Berlin ist, hat für die Poetica 8 als Motto „Das chorische Ich – Writing in the name of“ gewählt. Der Chor spielt also eine Rolle: als abstrakte Figur, die Fragen zum Verhältnis von Gemeinschaft und Einzelnem aufruft, aber auch ganz konkret in dem Sinne, dass zum Auftakt und zum Abschluss der Festivalwoche ein Poetica-Festival-Chor die Auftritte der Dichter:innen begleiten wird, worauf wir uns sehr freuen. Die eingeladenen Autor:innen wiederum praktizieren jeweils in ganz unterschiedlicher Weise ein „Schreiben im Namen von“ im Sinne einer poetischen Stellvertretung. Dabei stehen sie ein für verschiedene Communities, aber beispielsweise auch für die Natur. Ich glaube, es wird sehr spannend sein, diese unterschiedlichen Dichter:innen miteinander zu erleben – sowohl bei den verschiedenen Lesungen als auch in der Auseinandersetzung bei den Diskussionsveranstaltungen, die ebenfalls Teil des Festivals sind.

LK: Die poetica ist ein Projekt der Universität zu Köln. Wie finanziert ihr euch und wie ist euer Team aufgestellt?

MP: Seit dem regulären Ende der Fördermittel für das Internationale Kolleg Morphomata im April 2021 trägt die Universität zu Köln die Personalkosten für die Poetica. Für die Durchführung des Festivals selbst werben wir jährlich Geld ein von der Kunststiftung NRW und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Wir sind ein kleines Team – alle mit Teilzeitverträgen – bestehend aus dem Leiter der Poetica, Günter Blamberger, Semra Mägele ist unsere Geschäftsführerin, Amelie Liebst ist Projektassistentin, Lisa Skamira und Alexandra Schmitz sind unsere Studentischen Hilfskräfte und ich bin für die Organisation und Damaturgie zuständig. Darüber hinaus haben wir während der Festivalwoche noch Unterstützung von Marie Baur, die die Künstler:innenbetreuung übernimmt, und weiteren Honorarkräften, die zum Teil noch gefunden werden müssen.

LK: Wie lange bist du schon dabei und wie sieht deine Arbeit in Zusammenhang mit dem Festival aus?

MP: Im Frühling 2020 war ich zunächst für drei Monate als Mutterschutzvertretung bei der Poetica und als meine Vorgängerin Marta Dopieralski aus Köln wegging, habe ich im April 2021 ihre Stelle übernommen. Genau zu der Zeit wurde das Festival aufgrund der neuen finanziellen Konstellation auch umstrukturiert – bis dahin war es ja in ein Kolleg mit vielen Mitarbeitenden eingebettet. Meine Arbeit ist sehr vielfältig, was ich auch genieße. Die Aufgaben, die täglich anstehen, verändern sich über das Jahr hinweg, je weiter die Planungen für das nächste Festival voranschreiten. Das reicht von konzeptionellen Gesprächen zusammen mit Günter Blamberger und den Kurator:innen bis hin zur Koordination der Festivalproduktion ganz am Schluss.

Dazwischen bin ich Ansprechpartnerin der jeweiligen Autor:innen und unserer Kooperationspartner, mit denen wir teilweise schon seit Beginn der Poetica zusammenarbeiten und die uns ihre Räume und Kapazitäten großzügig zur Verfügung stellen; führe zusammen mit Günter Blamberger ein Seminar zur jeweils bevorstehenden Poetica durch und organisiere und betreue zum Beispiel die Produktion unserer Veröffentlichungen – jedes Jahr erscheint neben den Programmunterlagen eine Anthologie zum Festival im konkursbuch-Verlag. Das alles als Teil eines tollen Teams, in dem wir viel Spaß haben.

LK: Wenn sich jemand von unseren jüngeren Leser:innen/ Follower:innen für die poetica interessiert: Besteht die Möglichkeit sich bei euch für ein Praktikum zu bewerben oder werden alle Stellen durch Student:innen und Universitätsmitarbeiter:innen besetzt?

MP: Praktika haben wir bisher nicht vergeben, aber wir suchen momentan noch jemanden, der oder die Lust hat uns während der Festivalwoche auf Honorarbasis zu unterstützen. Insofern – meldet euch gern! Ansonsten sind wir ohnehin ein recht junges Team – beispielsweise haben wir zwei studentische Hilfskräfte, die ganz tolle Arbeit machen und hier natürlich auch Einblicke in das Berufsfeld Literatur bekommen.

LK: Hast du ein zwei Herzensveranstaltungen die du unbedingt empfehlen möchtest?

MP: Auch wenn bei dieser Ausgabe mit Patti Smith und Kim de l’Horizon zwei sehr bekannte (und auch wirklich tolle) Autor:innen unter den Eingeladenen sind, war für mich als Zuschauerin das Besondere an der Poetica immer, dass hier Dichter:innen präsentiert werden, von denen man in Deutschland noch nicht viel gehört hat, die aber großartige Texte schreiben.

Ein solcher Fall ist dieses Jahr für mich Lionel Fogarty, ein indigener australischer Dichter, der in seinen Gedichten die Grammatik der kolonialen Sprache zerstört. Er wird unter anderem am Donnerstagabend, 20. April, in der Stadtbibliothek zusammen mit dem haitianischen Autor James Noël und der indischen Dichterin Sukirtharani auftreten; außerdem wird die chinesische Dichterin Zheng Xiaoqiong über eine digitale Lesung dabei sein. Das ergibt mit Sicherheit eine sehr spannende Konstellation.

Ansonsten würde ich immer empfehlen zum Auftaktabend am Montag, 17. April, in die Aula der Universität zu kommen. Die Veranstaltung ist bei freiem Eintritt und man hat die Gelegenheit alle Autor:innen auf einmal zu sehen um zu entscheiden, was einem im weiteren Verlauf der Woche noch interessieren könnte. Das fand ich schon früher immer super.

Vielen Dank für deine Zeit, liebe Michaela!

Die Fragen für die Literaturszene stellte Paula Döring.