#BookTok, #Bookstagram & Bookfluencer:innen – Lesen ist bei der Generation Z wieder in. Der Austausch findet dabei vor allem in kurzen Videos in sozialen Netzwerken wie Instagram oder TikTok statt. Diesen Trend haben mittlerweile auch die großen Verlage mitbekommen, so auch der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch, der vor Kurzem ein neues Imprint namens kiwi sphere gelauncht hat, das sich genau an diese Zielgruppe richtet. Wir haben mit der Programmleiterin Mona Lang gesprochen und nachgefragt: Was macht diesen neuen Literaturtrend aus, welche Themen beschäftigen die Leser:innen in ihren Zwanzigern und Dreißigern heute, und was macht der globale Austausch über Literatur mit der lokalen Literaturszene, z.B. dem Buchhandel vor Ort?

Zunächst einmal das ganz Offensichtliche. Wie kam es denn zum neuen Imprint Kiwi sphere? 

Wir haben uns im Verlag schon länger Gedanken gemacht, wie wir besser an junge Leser:innen rankommen. Das war uns ja schon immer wichtig und das hat bei KiWi Tradition. Durch Social Media haben wir den Eindruck, dass die Ansprache doch ein bisschen anders sein müsste als bisher. Deswegen haben wir uns überlegt, was wir am besten verändern könnten: Lancieren wir eine neue Programmreihe oder versuchen wir einfach mehr Bücher für junge Leute in unserem Hauptprogramm zu publizieren? Wir sind dann zu dem Schluss gekommen, dass es am besten ist, ein kleines Imprint zu gründen: kiwi sphere. Und zwar, weil uns doch ziemlich schnell klar geworden ist, dass sich die Zeiten verändert haben und dass es heute weniger wichtig ist, die Bücher in Feuilletons oder Tageszeitungen zu „vermarkten“. Stattdessen hat  Social Media stark an Bedeutung gewonnen. Deswegen stand schnell fest, eine Art Community-Imprint zu gründen, d.h. ein Imprint, das Wert darauflegt, eine Community aufzubauen und sie auch dazu einlädt, sich selbst zu gestalten. Da war eigentlich sofort klar, für dieses Ziel müssen wir uns vom Hauptprogramm absetzen, gerade auch in den sozialen Medien – auch mit neuem Team und der Leser:innenansprache.

© Martina Bogdan

© Martina Bogdan

Wie sind Sie und Ihr Team genau vorgegangen bei der Konzipierung des Imprints? Haben Sie zunächst einmal auf Social Media recherchiert oder wie darf ich mir das vorstellen?

Ich habe in Beobachtung anderer Markteilnehmer erstmal ein Konzept geschrieben. Dabei habe ich geschaut, was die anderen genau machen und wie sie vorgehen, und dabei auch darauf geachtet, wo ich Lücken erkenne, die wir besetzen können. Wichtig war auch, eine Infrastruktur im Verlag zu schaffen, die unsere Zielgruppe widerspiegelt. Alle im Team sind zwischen Zwanzig und Dreißig, das heißt, sie entsprechen genau der Zielgruppe von kiwi sphere. Und dann habe ich zusammen mit einem Team aus acht jungen Kolleg:innen ein relativ grobes Konzept erstellt. Dieses Konzept wurde mit hunderttausenden kleinen Ideen gefüllt, die unter anderem auch von der Zielgruppe selbst kommen. Wir nutzen eine ganz andere Marketing- und Kommunikationsstrategie als das KiWi-Hauptprogramm.

Was hat sich denn Ihrer Meinung nach verändert, dass jetzt gerade diese Zielgruppe der 20- bis 30-Jährigen für KiWi als Publikumsverlag wichtiger geworden ist? Wie unterscheidet sich das Programm von kiwi sphere vom „normalen“ Programm? 

Die Zielgruppe der 20- bis 30-Jährigen war ja schon immer beliebt, weil man sie immer auch sozusagen zu Leser:innen erziehen will, damit sie ihr Leben lang weiter lesen. Leider stellt man oft fest, dass Kinder und Jugendliche noch viel lesen und dann im Laufe ihrer Schullaufbahn und im Studium bzw. während ihrer Lehre nimmt die Rate an Lesenden rapide ab. Verlage versuchen schon immer, diese Zielgruppe mit Popliteratur, Taschenbüchern oder – wie in den letzten Jahren – mit Influencer-Büchern anzusprechen. Seit der Corona-Pandemie gibt es eine neue Zielgruppe in dieser Altersspanne, nämlich junge Frauen, die seit der Pandemie Lesen als richtiges, zeitfüllendes Hobby wiederentdeckt haben. Sie geben viel Geld dafür aus, und um das Lesen herum entsteht nicht selten eine richtige Community. Es geht nicht mehr darum, alleine in seinem Kämmerchen ein Buch nach dem anderen zu lesen, sondern um viel mehr. Das eigene Lesen wird auf TikTok und Instagram dargestellt, über Apps wie Reado wird der Lesefortschritt für sich selber getrackt und mit anderen geteilt, sogenannte Buddy Reads werden organisiert, das heißt, als Freund:innen verabredet man sich, dasselbe Buch zu lesen, es werden Festivals organisiert und vieles mehr. Es ist also ein ganz neuer Kosmos um die Bücher und das Lesen entstanden. Man könnte es böse auch als eine Eventisierung des Buchs bezeichnen, doch ich finde das total toll!

Können Sie bestimmte Themen ausmachen, die die 20- und 30-Jährigen besonders interessieren? 

Im Bereich Fiktion beobachten wir die Trends sehr genau. Hexen sind beispielsweise gerade sehr angesagt. Genau deswegen gibt es ab Herbst bei uns unser tolles Buch zu Dark und Secret Magic. Das wird ein richtiges Halloween-Oktober-Hexen-Wohlfühlbuch. Außerdem publizieren wir immer auch einen Romance-Titel, auch solche mit Horrorelementen. Es hört sich komisch an, aber gerade diese sind heutzutage oft feministisch, da es häufig um weibliche Rache geht. Im Bereich Sachbuch sind Sexualität und Identität große Themen. Insgesamt achten wir sehr genau darauf, welche Themen auf dem Buchmarkt noch fehlen und fragen uns dann, wer die richtigen Autor:innen für diese Themen sein könnten und sprechen diese u.a. auch gezielt an. Außerdem ist für uns wichtig: Wer hat vielleicht schon eine gewisse Reichweite? Und womit kann man wirklichen Mehrwert für unsere Zielgruppe schaffen?

Welche Bedeutung hat der Standort Köln für kiwi sphere?

Wir bei kiwi sphere wollen uns die lokalen Orte zunutze machen. Persönlich begeistert mich der Kölner Buchhandel. Wir waren in der Konzipierungsphase zur Recherche viel in Buchhandlungen vor Ort unterwegs. Es gibt viele kleine, aber auch große Buchhandlungen, die unsere Zielgruppe echt gut kennen und von denen wir echt viel lernen konnten. Da wollen wir jetzt gerne etwas zurückgeben. Beispielsweise werden wir bereits im Juli einen digitalen Book Club organisieren – zunächst im digitalen Raum und dann, als großes Finale sozusagen, wird es eine große Abschlussveranstaltung auf der Frankfurter Buchmesse geben. Zudem planen wir gerade in Deutschland, Österreich und der Schweiz sogenannte „Silent Reading Partys“ mit dem stationären Buchhandel, zum Beispiel auch in Köln in der Manulit-Buchhandlung. Das läuft so ab, dass wir einen Pumpkin Spice Latte spendieren und es dann dort die Möglichkeit gibt, in entspannter Atmosphäre in die Bücher unseres Programms reinzulesen. Solche Events trenden gerade total und es ist wirklich spannend, weil es eben keine Lesung mit Autor oder Autorin ist, sondern tatsächlich eher ein Community-Event, bei dem das gemeinsame Lesen im Mittelpunkt steht. Zudem planen wir eine kleine Launch-Sause bei uns im Verlag im November, wo wir auch Buchhändler:innen, Influencer:innen sowie Bookstagrammer:innen einladen wollen.

Vielen Dank für das Gespräch, Mona Lang!