Am 21. Mai findet das Kölner Lyrikfestival Anderland bereits zum fünften Mal statt. Christoph Danne, selbst Lyriker, Buchhändler und Verleger, ist von Anfang an an der Organisation beteiligt. Im Interview sprach er mit uns über die Idee von Anderland, die kommende Ausgabe, die einen Fokus auf den im Herbst verstorbenen Kölner Autor Jürgen Becker legt, und die Lyrikszene in Köln. 

Anderland-Festival

Anderland-Festival

Hallo Christoph, du bist Mitorganisator des Lyrikfestivals Anderland, das am 21. Mai 2025 zum fünften Mal in Köln stattfinden wird. Wie kam es ursprünglich zu der Idee, ein Lyrikfestival zu organisieren?

Ich hatte früher schon verschiedene Veranstaltungsformate in der Kölner Indie-Literaturszene ins Leben gerufen. Und dann kam Klaus Bittner, der Besitzer und Namensgeber der Buchhandlung, in der ich arbeite, eines Tages auf die Idee, dass Köln noch eine Veranstaltungsreihe zu Poesie vertragen könnte. Wir haben gemeinsam überlegt, wer Kooperationspartner sein könnten und wie wir die Idee konkretisieren können.  Dann ging alles relativ schnell. Wir konnten die Stadtbibliothek als regelmäßigen Kooperationspartner gewinnen, die uns seitdem die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt und die auch einen Teil des Budgets mitträgt. Zudem arbeiten wir immer mit dem Institut für deutsche Sprache und Literatur der Uni Köln zusammen und überlegen einen thematischen Aufhänger oder rücken einen Autor oder eine Autorin in den Fokus. Für die erste Veranstaltung haben wir zum Beispiel Federico Italiano mit seinem Lyrikband „Sieben Arten von Weiß zusammen mit den Übersetzern Raoul Schrott und Jan Wagner eingeladen. Als dann eine Werkausgabe von Christine Lavant bei Wallstein erschienen ist, stand sie im Mittelpunkt der Veranstaltung, bei der dritten Ausgabe von Anderland war es Elke Erb. Das Festival findet immer an ein oder auch – wie im Herbst wieder – an zwei aufeinanderfolgenden Abenden statt, an denen zusätzlich auch Filme oder andere Medien als Ergänzung gezeigt werden. Das wird bislang total gut angenommen! Der Name stammt übrigens aus dem Köln-Poem von Jens Hagen.

Welchen Fokus setzt die kommende fünfte Ausgabe von Anderland?

Die Veranstaltung am 21. Mai ist im Grunde eine Kooperation mit der Literaturzeitschrift die horen, da dort kürzlich eine Ausgabe mit einem Schwerpunkt zu Kölner Lyrik erschienen ist. Das kam über persönliche Verbindungen zustande. Einer der Herausgeber von die horen ist Christof Hamann, der auch Professor am Germanistischen Institut in Köln ist, mit dem wir ja ohnehin zusammenarbeiten. Er hat uns irgendwann mitgeteilt, dass es in einer der kommenden Ausgaben ein Dossier zur Kölner Lyrikszene geben wird. Da hatten wir sofort den Gedanken, das als Ausgangspunkt für die kommende Anderland-Ausgabe zu nutzen. Wir stellen also die Literaturzeitschrift die horen vor und haben mit Jennifer de Negri, Guy Helminger, Jürgen Nendza und Sabine Küchler vier Kölner Lyriker:innen eingeladen, die auch in der Ausgabe vertreten sind. Das Besondere bei dieser Ausgabe ist, dass es eben auch um die Gedichte des Kölner Autors Jürgen Becker gehen soll, der im Zuge der Anbahnung der Ausgabe im vergangenen November verstorben ist. Sein Sohn Boris Becker ist Fotograf und hat neben den Gedichten seines Vaters auch einige eigene Fotografien zu dem Band beigesteuert. Es ist also ein sehr rundes Paket aus neuen und etablierten Stimmen!

Werden die Fotografien von Boris Becker auch bei der kommenden Anderland-Veranstaltung zu sehen sein?

Ja, wir denken da crossmedial. Schon als Abdruck in der Zeitschrift sind sie toll, deswegen freue ich mich ganz besonders darüber, sie jetzt im großen Format zeigen zu können. Die Fotografien werden auf einer großen Leinwand hinter der Bühne in Endlosschleife zu sehen sein, damit sie wirken können.

Gibt es Spezifika der Kölner Lyrikszene? Was zeichnet die Szene aus? Kannst du das beschreiben?

Das werde ich öfter gefragt und muss sofort sagen, dass es sehr schwierig für mich ist, die „Szene“ auf einen einzigen, gemeinsamen Nenner herunterzubrechen. Da ich gleichzeitig Buchhändler, Dichter und Verleger eines kleinen Verlags bin, blicke ich ja auch aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf die „Szene“. Klar, gibt es einige Autor:innen, die sich ausdrücklich in der Tradition von Kling oder Brinkmann sehen, wenn sie nach ihren Einflüssen gefragt werden – das ist in der Stadt ja auch sehr präsent. Doch eigentlich kann ich nur immer wieder feststellen, dass ich die Lyrikszene in Köln unglaublich vielstimmig finde. Da gibt es unglaublich viele verschiedene poetologische Zugriffe auf die Gegenwart. Allein schon beim oberflächlichen Durchblättern des die horen-Bandes wird das deutlich. Im Schriftbild, dem Satz, den Themen. Genau diese Vielfalt wollen wir an dem kommenden Anderland-Abend auch zeigen, denn genau das ist ja auch das Spannende.

Vielen Dank für das Gespräch!